Jugendburg fahr wohl!

Es ist kurz vor 11 Uhr, der Meißnersaal füllt sich langsam. „Langsam“ trifft es ganz gut, das sonst so quirlige Begrüßen ist einem stummen Zunicken und einer beunruhigenden Stille gewichen. Gebannt schauen alle Richtung Bühne, wo sich die Verantwortlichen der Burg zuvor schweigend hingesetzt hatten. Kein Lied zum Anfang, auch hier keine freudige Begrüßung. Eva beschreibt mit zittriger Stimme die Erlebnisse der letzten Tage und Wochen und verkündet im Anschluß eine drastische Entscheidung der Burg: Der Ludwigstein wird für ein ganzes Jahr als jugendbewegte Begegnungsstätte ausgesetzt.

Kurze Momente des Schocks – ungläubige Blicke zwischen den Zuhörern – erste Tränen fließen.

Auch die weiteren Erklärungen werden von traurigen, zermürbten Menschen gesprochen. Sind sich die „fleißigen“ Artikelschreiber eigentlich bewußt, welches Leid sie anderen Menschen mit ihrer vorurteilsbehafteten da zielorientierten Berichterstattung zufügen? Wie kommt es, daß Leuten, denen die Realität auf der Burg gut bekannt ist, eilige Erklärungen unterschreiben, die der Burg mehr schaden als Schaden von ihr abwenden? In diesen Tenor beginnt zaghaft und mit zunehmender Heftigkeit eine Diskussion über Schuldige, Unschuldige, Irrwege und Auswege. Ob ein Ausweg möglich ist, scheint derzeit noch ungewiß. Eines ist schon heute sicher: Die Jugendburg Ludwigstein und mit ihr der Geist der Jugendbewegung haben großen Schaden erlitten.

Aus dieser Stimmung ist sonntags die folgende Stellungnahme von VJL-Mitgliedern aus den Bünden entstanden:

Stellungnahme zur Aussetzung der Nutzung der Burg Ludwigstein durch jugendbewegte Gruppen

Auf Grund der Berichterstattung der letzten Wochen ist der Jugendburg Ludwigstein ein großer Schaden entstanden.

Der Stiftungsvorstand beschloss daher, die Jugendburg Ludwigstein zunächst in den kommenden zwölf Monaten nicht mehr als Ort der Begegnung für jugendbewegte und bündische Gruppen zur Verfügung zu stellen.

Wir als Mitglieder der Vereinigung Jugendburg Ludwigstein aus den Bünden verstehen diese drastische und für uns sehr schmerzhafte Entscheidung und tragen sie mit, um weiteren Schaden von der Burg abzuwenden.

Als Jugendbewegte stehen wir, genau wie die Jugendburg Ludwigstein, selbstverständlich für gelebte Demokratie und zivilgesellschaftliches Engagement. Extremistisches Gedankengut hatte und hat auch nach unserer Meinung keinen Platz an diesem Begegnungsort.

Deshalb werden wir in den folgenden zwölf Monate die im Raum stehenden Vorwürfe klären und Missverständnisse ausräumen.

Unser Ziel und Wunsch ist es, den Ludwigstein als Begegnungsstätte der Jugendbewegung zu erhalten.

Burg Ludwigstein, den 3.11.2013

Die Burgtore haben sich geschlossen. Nun gilt es für alle Jugendbewegten, draußen zu bleiben. Vorerst. Einige hatten diese schmerzliche Erfahrung schon zum Meißnerfest machen dürfen. Zukünftige Diskussionen sollten wie gewünscht auf Augenhöhe nach fairen und demokratischen Grundsätzen“ geschehen. Dies wäre ein wichtiger Schritt zur Wiederbelebung jugendbewegter Offenheit.

Die Freideutsche Jugend will nach eigener Bestimmung, vor eigener Verantwortung, in innerer Wahrhaftigkeit ihr Leben gestalten. Für diese innere Freiheit tritt sie unter allen Umständen geschlossen ein.

Die Stellungnahme der Burg findet sich hier.

Und zum Abschluß noch eine gute Nachricht.

Nachtrag: 

Wie aus der abschließenden Nachricht zu vernehmen, ist die Förderung für die Burg Ludwigstein wieder aufgenommen worden. Um den entstandenen Schaden zu lindern, gilt es die Realitäten auf der Burg öffentlich zu machen. Wer könnte das tatsächliche Treiben auf der Burg besser einschätzen und beschreiben als jene, die dort eine Zeit lebten und wirkten. Aus dem Kreis der Zivildienstleistenden und weiterer Freiwilligendienste wurde die folgende Botschaft ans Sozialministerium gesandt:

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Offener Brief an das hessische Sozialministerium

Sehr geehrte Damen und Herren,

überrascht und irritiert haben wir den veröffentlichten Artikel „Eklat um rechte Umtriebe auf Burg Ludwigstein“ von Herrn Jesko Wrede auf dem Internetportal „Zeit Online“ zur Kenntnis genommen. In dem Bericht wird der Ludwigstein als eine Anlaufstelle von politisch-rechten Gruppen dargestellt, die ihnen eine Möglichkeit zur „rechten Milieubildung“ und zur Verbreitung von „völkischen Idealen“ gibt. Noch schockierender war es für uns zu erfahren, dass die Zahlung von Fördermitteln des hessischen Sozialministeriums bis zur Klärung dieser Vorwürfe ausgesetzt wird.

Wir alle haben innerhalb der vergangenen Jahre als junge Menschen im Rahmen des Zivildienstes, Bundesfreiwilligendienstes oder eines Freiwilligen Jahres auf der Jugendburg Ludwigstein gearbeitet und vor allem auch gelebt. Nicht nur arbeitsbedingt, sondern auch aus eigenem Interesse konnten wir einen tiefen Einblick in den Burgbetrieb gewinnen und mit Mitarbeitern, Stiftungsvorstand und den vielen Gästen der Jugendburg in Kontakt und ins Gespräch kommen. Wir können daher die Vorwürfe von Herrn Jesko Wrede in keinster Weise nachvollziehen.

Insbesondere die vielen und unterschiedlichen Veranstaltungen der bündischen Szene, welche über das gesamte Jahr auf der Ludwigstein stattfinden, bieten uns stets die Möglichkeit sich in einer gemeinschaftlichen, offenen und entspannten Atmosphäre mit anderen Pfadfinder-, Wandervögel- und anderen Jugendbünden auszutauschen. Viele von uns sind selbst bündisch verwurzelt und geprägt, daher stellen wir uns ganz bewusst hinter die „Erklärung der offenen Burg“, welche allen demokratischen Jugendbünden die Teilnahme an Veranstaltungen der Jugendbildungsstätte erlaubt, sofern die gegebenen Regeln und die demokratische Grundordnung eingehalten werden.

Wir sind der Meinung, dass unsere demokratische Grundordnung gerade durch den Austausch und die Diskussion im kleinen und im großen Rahmen auflebt. Deshalb werden auch wir weiterhin aktiv an den zukünftigen Diskussionen und Veranstaltungen der Jugendbildungsstätte Ludwigstein teilnehmen, um die strikte Einhaltung der Regelungen bezüglich der „Erklärung der offenen Burg“ zu gewährleisten und zu überprüfen.

Aus diesem Grund möchten wir Sie, angetrieben durch unsere enge Verbundenheit auch über unsere Dienstzeit hinaus, bitten, die in den Raum gestellten Vorwürfe möglichst schnell zu überprüfen, damit die Jugendburg Ludwigstein weiterhin das bleiben kann, was sie ist: Eine einmalige, offene und gemeinschaftliche Begegnungsstätte für die bündische Szene und vielen Jugendgruppen aus Deutschland und der Welt.

Wir verbleiben mit herzlichen Grüßen,

Daniel Stache (Zivildienst Jul. 2008-Apr. 2009); Benno Brusermann (Zivildienst Okt. 2008-Jun. 2009); Viola Bornscheuer (Freiwilliges Ökologisches Jahr Sept. 2008-Aug. 2009); Theresa Ziegler (Freiwilliges Jahr in der Denkmalpflege Sept. 2008-Aug. 2009); Johannes Kaltenecker (Freiwilliges Jahr in der Denkmalpflege Sept. 2008-Aug. 2009); Philip Schönemann (Zivildienst Jul. 2009-Apr. 2010); Hendrik Sölter (Zivildienst Aug. 2009-Apr. 2010); Michael Fallis (Zivildienst Aug. 2009-Apr. 2010); Michael Plaske (Zivildienst Nov. 2009-Jul. 2010); Nicklas Gödicke (Freiwilliges Ökologisches Jahr Sept. 2009-Aug. 2010); Florian Warnemann (Zivildienst Aug. 2010-Apr. 2011); Jonas Graulich (Zivildienst Aug. 2010-Apr. 2011); Sven Orzel (Zivildienst Sept. 2010-Apr. 2011); Osama Mohammad Saeed Naji (Zivildienst Okt. 2010-Jun. 2011); Nicolai Stieler (Zivildienst Mär. 2010-Dez. 2011); Katharina Nitzgen (Freiwilliges Jahr in der Denkmalpflege Sept. 2010-Aug. 2011); Bastian Zipp (Bundesfreiwilligendienst Jun. 2011-Jul. 2012); Christian Schiel (Bundesfreiwilligendienst Sept. 2011-Aug. 2012); Joshua Beer (Bundesfreiwilligendienst Sept. 2011-Aug. 2012); Leon Wrede (Bundesfreiwilligendienst Jan.-Jul. 2012); Lars Dittmar-Krafft (Freiwilliges Ökologisches Jahr Sept. 2011-Aug. 2012); Marc Wahren (Freiwilliges Jahr in der Denkmalpflege Sept. 2011-Aug. 2012); Annika Mäcke (Bundesfreiwilligendienst Sept. 2012-Aug. 2013); Jan Flessa (Bundesfreiwilligendienst Sept. 2012-Aug. 2013); Felix Jellinghaus (Bundesfreiwilligendienst Okt. 2012- Aug. 2013); Kira Koeltze (Freiwilliges Jahr in der Denkmalpflege Sept. 2012-Aug. 2013)

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Weitere Stellungnahmen, Erlebnisberichte und Artikel gibt es im Blog der Jugendbildungsstätte und in der “Offenen Gruppe” der Burg bei Facebook.
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