„Eher den Tod als müde werden.“

 

Ein Nachruf auf Arno Klönne

Am 4. Juni 2015 verstarb mit 84 Jahren der deutsche Soziologe und Politikwissenschaftler Arno Klönne.

„Jugendbewegt geprägt“ bereits in den Jahren des Zweiten Weltkriegs im Milieu unangepaßter katholisch-bündischer Jugendgruppen, wurde er in den Nachkriegsjahren nach 1945 einer der ersten Aktivisten beim Neuaufbau jugendbewegten Gruppenlebens. In dieser Zeit erlebte er nicht nur die Freiheit der Fahrt, vertonte bündisches Liedgut und knüpfte interessierte Kontakte zu manch älteren jugendbewegten Persönlichkeiten der Zwischenkriegszeit. Er begann zugleich, sich als junger, politisch denkender Mensch zu begreifen, und trat engagiert dafür ein, daß jugendbewegt-emotionales Erleben und politisches Denken und Handeln keine Widersprüche sein müssen. Beeinflußt vom Stil und Erleben der Jungenschaften gründete er die dj.1.11 paderborn. Keine Kopie der tuskschen dj.1.11 sollte es sein, sondern der Fokus lag nach Klönnes eigener Rückschau auf der Autonomie: „Das war ein Zauberwort für uns. Und ‚dj.1.11‘ hieß für uns auch: Wir denken nach, reden und melden uns öffentlich zu Wort in Sachen Politik, unser Herz schlägt dabei links – aber das bedeutet nicht Unterwerfung unter eine ‚Erwachsenen‘-Organisation und deren Programm.“* Ganz in diesem Sinn berief er sich schließlich 1957 auf die von tusk einst herausgegebene linkspolitisch-kommunistische Zeitschrift „pläne“ und gründete unter diesem Namen mit weiteren jugendbewegten Mitstreitern erneut eine Zeitschrift gleichen Namens. „Pläne“ – bis heute bekannt blieb der später hieraus entstandene Musikvertrieb für politisches Lied, Liedermacher und Folklore. Als Wissenschaftler setzte er sich besonders mit der Arbeiterbewegung und dem Rechtsextremismus, Kapitalismuskritik und der Bündischen Jugend in der NS-Zeit auseinander. Sein Buch über die Hitlerjugend und ihre Gegner gilt bis heute als Standardwerk und erschien in mehreren Auflagen.

Vorbild für die Verbindung aus Jugendbewegung und politischem Engagement statt einer Weltflucht in die Wälder konnten für Klönne neben seinem Doktorvater Wolfgang Abendroth ausgerechnet frühere nationalrevolutionäre Persönlichkeiten werden. Deren politische Vorstellungen der späten 1920er/frühen 1930er Jahre als Irrwege stets scharf ablehnend, achtete er diese als Persönlichkeiten und erkannte, daß Menschen sich politisch entwickeln können und politische Haltungen nichts Starres sein müssen. Exemplarisch erlebte er dies an der Person Hans Ebelings, einstmals Führer des Jungnationalen Bundes – Deutsche Jungenschaft, nationalrevolutionärer Publizist und später aus dem Exil heraus aktiv im Widerstand gegen das Hitlerregime. 1956 gründete Arno Klönne mit Ebeling die Zeitschrift „Graue Blätter“. Für die erste Ausgabe dieser Zeitschrift im Mai 1956 formulierte Klönne: „Unsere Zeitschrift wird weder unter Festlegung oder Beschränkung auf eine politische oder konfessionelle Richtungnoch auf bestimmte Jugendverbände arbeiten, – wohl aber mit Festlegung auf entschieden demokratische Verhaltensweisen, zugleich mit betonter Neigung zur Verständigung und Zusammenarbeit junger Kräfte quer durch partei- und verbandspolitische Grenzen, bei gleichzeitiger klarer Herausarbeitung der jeweiligen inhaltlichen Standpunkte. Bei diesem Bemühen sind wir nicht ohne Traditionen der Zusammenarbeit demokratischer junger Kreise in der Weimarer Republik und in der Zeit der Opposition gegen das NS-Regime. Uns scheint, daß solche Traditionen heute zu oft und fälschlicherweise vergessen bleiben.“

Ein anderer Kontakt zu einem der früher führenden nationalrevolutionären Querfrontaktivisten, der zu Karl Otto Paetel (KOP), kam vermutlich über seinen Doktorvater Wolfgang Abendroth zustande, der als Beitrag für die Festschrift zu KOPs 65. Geburtstag einen Text des mittlerweile bereits selbst zum Professor ernannten Klönne einreichte: „Georg Lukás zum Gedächtnis“. Klönne selbst widmete KOP zeitgleich seinen Aufsatz „Zur Klassenanalyse der Subkultur“ mit der Bemerkung: „… da ich ihm viele gedankliche Anregungen zu verdanken habe.“

Vor diesen Hintergründen und aus dieser Grundhaltung heraus scheute Klönne Zeit seines Lebens nie den Dialog mit politisch Andersdenkenden und achtete diese in ihrer menschlichen Persönlichkeit – ohne dabei nicht zuweilen sehr harsch und scharf mit deren politischen Meinungen abzurechnen. Nur so ist zu verstehen, warum etwa in der Zeitschrift pläne 1963 ein Aufsatz von Werner Haverbeck über das Thema „50 Jahre Meißnerformel“ zu finden ist – Klönne kannte Haverbeck aus der Ostermarschbewegung gegen die Wiederaufrüstung. Später suchte Klönne wiederholt die politische Kontroverse durch Beiträge in der einer politischen Querfront zwischen „rechts“ und „links“ zugeneigten Zeitschrift „Wir selbst“. Natürlich ereilten auch Klönne so „Kontaktschuldvorwürfe“ von besonders eifrigen vermeintlichen „Antifaschisten“. Er selbst beschrieb ein solches Vorgehen 1994 in der bündischen Älterenzeitschrift „Stichwort“ als verschwörungstheoretisch und forderte für antifaschistische Arbeit in seinem Sinn: „Freiheitliches politisches Denken fragt nach Gründen, Motiven, Widersprüchen und Wandlungen der sich verändernden sozialen Bewegungen und der darin steckenden Lebensgeschichten.“

Bis zuletzt blieb Klönne ein politischer Streiter und linker Querkopf mit Eigensinn. Noch einen Monat vor seinem Tod war er engagierter Redner bei den Demonstrationen zum 1. Mai in Bielefeld. Mehr als ein halbes Jahrhundert zuvor hatte der damals grade 20 Jahre alte Arno Klönne seinen Roman „Fahrt ohne Ende. Geschichte einer Jungenschaft“ veröffentlicht. Er berichtet von den Erlebnissen einer unangepaßten Jugendgruppe während der NS-Zeit. Am Ende dann die Losung für ein jugendbewegt erfülltes Leben: „Eher den Tod als müde werden.“

Es beschenkte uns, daß Arno zu den regelmäßigen Lesern dieses Blogs gehörte und uns regelmäßig manch freundlichen Brief und kritischen Kommentar sandte. Wir werden den Austausch vermissen.

*Zitatquelle: Arno Klönne: Vom bündischen Gruppenmilieu im NS-Staat zur Nachkriegs-Jungenschaft. In: Fritz Schmidt (Hg.): „Unser Fahren wird kein Ende haben…“ Rückblicke auf jungenschaftliche Er-Fahrungen nach 1945 (Schriftenreihe des Mindener Kreises 4), Berlin 2011, S.11-16, hier S.16.

Bildquelle: Arno Klönne: Fahrt ohne Ende, Geschichte einer Jungenschaft, Verlag Alsatia Colmar

1 Kommentar - Kommentar schreiben
  1. Klaus Eisenmann sagt:

    “Eher den Tod, als müde werden!”
    Wer so etwas proklamiert, hat das Leben nie verstanden. Es ist ein Schlag ins Gesicht, jedes Menschen, der krank ist oder längeres Siechtum vor sich hat.
    Es riecht nach Aufruf an junge Menschen – das Leben zu verschleudern – zugunsten einer Ideologie!
    Es riecht nach Kanonenfutter!
    Heute brauchen wir progressive Antworten und keine Sezession und Deutschtümmeleien…
    Danke für Ihre Aufmerksamkeit
    Gerne zu Debatten bereit
    Ihr Klaus Eisenmann aus dem Ansbach-Brandenburgischen Franken

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