Es ist einige Monate her, da erhielten wir Post von Arno Klönne. Statt eines längeren Kommentars oder einer umfangreichen Ergänzung eines Artikels schickte er uns kommentarlos den Hinweis auf sein neues Heftchen, welches dieses Jahr in der Schriftenreihe der Landeszentrale für politische Bildung (LfpB) Thüringen erschien. Seine Nachricht blieb bis zu seinem Tod unbeantwortet. Nun haben wir das Heft bestellt, gelesen und stellen es hiermit vor.
Vor nunmehr siebzig Jahren endete der Zweite Weltkrieg. Es wird kein Zufall gewesen sein, daß die Herausgabe von Arno Klönnes Werk „Hoffnung in Trümmerjahren“ mit diesem Jubiläum zusammenfällt. Vielmehr verwundert es lediglich, daß ein solches Werk mit seinem gesamtdeutschen Fokus erst 25 Jahre nach der deutschen Einheit erscheint. Mit seinem wohl letzten vollendeten Werk blieb sich Arno treu, er schloß eine Lücke, die andere nicht sahen oder ignorierten. Wohl unbewußt schrieb er damit der Nachkriegsgeneration, seiner eigenen Generation, einen bisher ausgebliebenen Nachruf.
Wie schon bei seinen anderen Heften für die LfpB Thüringen ist auch dieses in kleine, reichlich bebilderte Abschnitte aufgeteilt. Hinzu kommen zahlreiche Zitate aus Zeitschriften aller Besatzungszonen. Man könnte meinen, der Autor wollte nicht über (s)eine Generation sprechen, sondern die Jugend von einst selbst zu Wort kommen lassen. Wie repräsentativ die von ihm vorgenommene Auswahl an Texten ist, können wir nicht sagen. Die eine oder andere Überraschung halten die Zitate jedenfalls bereit. Dies hätte den Autor gefreut und dürfte den Leser gleichermaßen freuen.
Stunde Null minus X
Im Zusammenhang mit den „Trümmerjahren“ (1945-1949) wird oft von einer „Stunde Null“ gesprochen. Arno merkt zurecht kritisch an, daß damit alle Lasten und Folgen des Krieges vernachlässigt werden. Der Krieg hinterließ eben keine grünen Wiesen, weder in Deutschland, Europa, noch sonstwo auf der Welt. Der Zusammenbruch war allgegenwärtig, materiell wie emotional.
Daß in dieser hoffnungsarmen Zeit die Zuversicht langsam um sich griff, lag nicht zuletzt am wachsenden Aufbauwillen der jungen Generation. Die einst zum „Garanten der Zukunft“ stilisierte Jugend war nachspürbar an der aktiven Mitgestaltung im Nachkriegsdeutschland interessiert. Doch wie die Jahre zuvor erzeugten ideologische Zwänge der Erwachsenenwelt (Schlagwort FDJ) und neuerdings auch die Forderungen und das Mißtrauen der Besatzungsmächte neue Grenzen einer selbsterringenden Emanzipation. Dennoch träumte man damals von einem geeinten Deutschland − ein Traum, welcher erst Jahrzehnte später erfüllt werden sollte.
„Die junge deutsche Generation lebt unter dem Trommelfeuer einer Propagandawelle aus dem Westen und aus dem Osten. Sie soll erzogen werden. Im Osten zum Sozialismus, im Westen zur Demokratie. Jenseits der Elbe zur Planung, zur kollektiven Gemeinschaft, zum sozialistischen Staat, diesseits der Elbe zur Freiheit der Persönlichkeit, zur liberalistischen Ordnung, zum demokratischen Rechtsstaat. …
Die junge Generation kann ganz von vorne beginnen. Sie braucht nicht umzubauen. Sie kann neu bauen. Sie hat den Sozialismus des Ostens und die Demokratie des Westens im Land. Aus den Erfahrungen mit den beiden Ordnungen kann sie die Quellen der Fehler erkennen, die sie vermeiden muß. Indem sie den Sozialismus und die Demokratie in einer Staatsform zu verwirklichen sucht, kann sie zum Ferment [https://de.wikipedia.org/wiki/Ferment] zwischen den beiden Ordnungen werden. …
So kann diese junge deutsche Generation die Brücke bauen, die vom Westen zum Osten und vom Osten zum Westen führt. Es wird zugleich die Brücke in die Zukunft Europas sein …“
(Oktober 1946 im „Ruf“ den „unabhängigen Blättern der jungen Generation“)
Im Heft werden Kontinuität und Brüche von Jugendkulturen vorgestellt, wird den Hoffnungen der jungen Generation nachgespürt, werden Exkurse nach links, rechts und an den Herd unternommen. Abschließend wird der Frage nachgegangen, ob es sich bei der ersten Generation nach dem Krieg um eine „verlorene Generation“ handelte. Dies wird von Arno selbstverständlich verneint. Allenfalls könne man der Einschätzung von Helmut Schelsky folgen, der eine allgemeine „Skepsis“ gegenüber politischen Ideen und die damit einhergehende Hinwendung zum Alltagsleben attestierte. Arno Klönne ist nunmehr zu danken, daß die Jugend der „Stunde Null minus X“ ein stückweit der Vergessenheit entrissen wurde.
“Die großen Hoffnungen jener ersten Nachkriegsjahre haben sich nicht erfüllt. Aber es ist vielleicht gut zu wissen, daß es sie gab.” (1962, Hans Werner Richter in einer Dokumentation über die Zeitschrift: Der Ruf)
Buch: Arno Klönne, Hoffnung in Trümmerjahren, Die junge Generation in Deutschland 1945-1949, Landeszentrale für politische Bildung Thüringen, ISBN 978-3-943588-56-9