von Sebastian
„Und deshalb haben wir uns dazu entschlossen, heute eine Regelung zu treffen, die es jedem Bürger der DDR möglich macht, über Grenzübergangspunkte der DDR auszureisen.“
mit diesen Worten des SED-Politbüro-Mitglieds Günter Schabowski in einer Pressekonferenz am Abend des 9. November 1989 – also vor genau 25 Jahren – begannen die historischen Ereignisse, deren Auswirkungen wir heute als den Fall der Berliner Mauer feiern und welche letztlich zu der friedlichen Wiedervereinigung unseres Deutschen Vaterlandes führen sollten.
Anläßlich des 25. Jahrestages dieser bewegenden historischen Geschehnisse und organisiert von unserem Bundesbruder Wolfram, machte sich in den Tagen vom 7. bis zum 9. November diesen Jahres auch eine Gruppe Gildenschafter aller Generationen auf den Weg nach Berlin, um dort gemeinsam der damaligen Ereignisse zu gedenken. Angereist waren Bundesbrüder und -schwestern aus ganz Deutschland, und während die Älteren sicherlich stark von eigenen Erinnerungen und Gefühlen aus damaligen Tagen zehren konnten, ermöglichte dieses Wochenende doch auch den Jüngeren das Nachempfinden einer historischen Situation, welche uns heute manchmal vielleicht weit zurück zu liegen scheint.
Daß die Geschichte von Errichtung und Fall der Mauer immer auch eng verwoben war mit der Geschichte und dem Engagement unseres Bundes, wurde jedoch auch dem Letzten von uns spätestens mit dem Vortrag des ersten Abends klar, zu welchem sich im Kohlenkeller in Berlin eine bunte Mischung aus Gildenschaftern und Zehlendorfer Bürger versammelt hatte, um dort den Worten des ehemaligen Aktivensprechers, Rüdiger Lancelle zu lauschen.
Dieser hatte sich in den Anfangsjahren der Mauerzeit aktiv an der Fluchthilfe beteiligt und erzählte uns nun aus seinem bewegten Leben der damaligen Zeit. Als Mitgründer der Akademischen Gilde Berlin mußten er und seine studentischen Freunde schon von Beginn des Mauerbaus ab dem 13. August 1961 miterleben, wie eine zuvor noch frei passierbare Grenze mit einem Male systematisch abgeriegelt werden sollte. Nicht zuletzt diese einschneidende Erfahrung bewegte ihn und die anderen Mitglieder der damaligen Gilde schließlich, sich aktiv an der Fluchthilfe für befreundete Ostberliner zu beteiligen. Gemeinsam mit anderen Gildenkreisen wurden Pässe gefälscht und geschmuggelt, oppositionelle DDR-Bürger für die Passage geschult und schließlich in den Westen geschleust. Einige Monate ging alles gut, dann jedoch gelangten die Behörden der DDR durch einen unglücklichen Zufall an einen Kalender mit Namen und Adressen der Fluchthelfer. Die riskanten Operationen konnten nicht mehr fortgeführt werden. Rüdiger jedoch führte sein Engagement später auch auf anderen Gebieten fort und setzte sich so beispielsweise auch gegen die Stationierung atomarer Waffen in der Bundesrepublik ein.
In Erinnerung an die Todesopfer der Mauer begaben wir uns am nächsten Morgen schließlich an die Gedenkstätte zur Ehrung des letzten Maueropfers. Winfried Freundenberg hatte noch am 8. März 1989 versucht, die innerdeutsche Grenze mittels eines selbst gebauten Heißluftballons zu überfliegen. Überrumpelt durch eine vorzeitige Entdeckung seitens der Volkspolizei gelangte seine Frau jedoch nicht mehr mit an Bord und so führte ihn der unkontrollierbare Flug des letztlich viel zu leicht beladenen Ballons schließlich in den sicheren Tod. Still und mit einer Kranzniederlegung gedachten wir dort aller Opfer der gewaltsamen Teilung unseres Volkes.
Auch die Stadt Berlin selbst hatte im Vorfeld des 9. November viele Gedächtnisorte errichtet. Im Anschluß an die Kranzniederlegung und im Gefolge der Installation weißer Luftballons, welche entlang des ehemaligen Verlaufs der Mauer errichtet worden waren, begaben wir uns so auf eine Spurensuche durch das Berlin der Teilung.
Besonders eindringlich blieb auch der Besuch des Mauer-Panoramas von Yadegar Asisi nahe dem Checkpoint Charlie im Gedächtnis. Unterlegt mit Auszügen historischer Reden von Politikern der damaligen Zeit, entwickelte sich in diesem 180° Panorama des palästinensischen Künstler eine beklemmend realistische Simulation des Ausblicks von einer der damals im Westen gelegenen Aussichtsplattformen in die DDR der 1980er Jahre.
Abends schlossen sich jedoch auch hier die Pforten, und so nutzten wir den milden Herbstabend, um noch ein Stück entlang der East-Side-Gallery, dem längsten noch erhaltenen Mauerstück zu wandern. Im schmucken „Hopfenreich“ gefiel uns schließlich selbst die “Rauswurfmusik” in Form klassischer Musikstücke so gut, daß sich die Gespräche wie immer viel zu lang zogen und die Nacht uns schließlich schon fast wieder ins dämmernde Morgengrau entließ.
Der nächste Tag brachte schließlich die offizielle Gedenkveranstaltung mit sich. Die Gedenkstätte Berliner Mauer an der Bernauer Straße hatte an diesem Tag jedoch ihre Türen verschlossen und so wanderten wir die Invalidenstraße entlang, vorbei an dem Museum für Naturkunde und der Charité, bis wir schließlich am Reichstag angelangten. Von hier aus ging es weiter zum eingezäunten Brandenburger Tor, vor dem sich bereits die Menschenmengen sammelten, um gemeinsam die offizielle Tagesfeier mit Bühnenprogramm zu begehen. Wir jedoch, mittlerweile eingehüllt in unsere mitgebrachten Deutschlandfahnen, zogen weiter, rund um die amerikanische Botschaft und gelangten schließlich auf den Pariser Platz. Hier fanden wir uns noch einmal zusammen, um ein letztes Mal gemeinsam zu singen und der historischen Ereignisse – aber auch der letzten Tage- zu gedenken, bevor ein jeder von uns schließlich mit einem lachenden und einem weinenden Auge dorthin zurück kehren sollte, von wo er zwei Tage zuvor an diesen seltsamen Ort in der Mitte Europas gekommen war.
Gern wären auch wir Münchner noch bis in die Abendstunden geblieben, um den offiziellen Festakt und Aufstieg der Installation in den Berliner Nachthimmel mit verfolgen zu können. Doch das Wichtigste nahmen wir wohl auch so – jenseits allen feierlichen Trubels mit:
Daß es sich lohnt – mag es auch noch so lange dauern- für die eigene Freiheit zu streiten.
Danke für diese beeindruckende Begegnung!