Oft hört man die Geschichte von der Protest- bzw. sogar Gegenveranstaltung auf dem Hohen Meißner. An dieser „alternativen“ Sicht aufs freideutsche Wiegenfest wird seit Jahrzehnten kontinuierlich gewerkelt. Aus den Reden und Schriftstücken der Zeit lassen sich gewiß kritische Stimmen am damaligen Pompöse im Kaiserreich, insbesondere am befürchteten Rummel in Leipzig, herauslesen. So resümierte man im Vorlauf des Festes:
„Vaterländische Erinnerungsfeste werden 1913 in großer Zahl gefeiert, aber noch fehlt das Fest der Jugend, die, der Gegenwart zugewandt, im Gelöbnis der Tat die wahre Vaterlandsliebe verkünden will.“
An der Grundmotivation eines ehrwürdigen Gedenkens der Befreiungsschlacht von 1813 wurde aber von keiner Seite gerüttelt. Die Meißnerfahrer lassen sich zuallererst durch das „Wie“ von den Leipzigfahrern unterscheiden. Man wollte sehr wohl anders aber keineswegs etwas anderen gedenken. Mit der gemeinsamen Entscheidung für ein Naturfest auf dem Frau-Holle-Berg schenkte man der freideutschen Generation einen alternativen Gedenkort. Dieses Geschenk wurde dankend und mit wegweisenden Folgen angenommen. Weitere 100 Jahre später ist von der einstigen Motivation kaum etwas zu hören. Man beschränkt sich ganz auf das Erinnern ans Erinnerungsfest – 1813 scheint vergessen.
Die verschiedenartigen Vorbereitungen zum Meißnerjubiläum haben sich in jugendbewegten Kreisen längst herumgesprochen. Anders verhält es sich mit dem Jubiläum in Leipzig, welches ebenfalls im Oktober 2013 ansteht. Hatte man doch gerade dort unter Pauken- und Trompetenklang das Völkerschlachtdenkmal mit Hurra eingeweiht. Ein großes Volksfest ist auch zum 200. Jahrestag der Schlacht angedacht. Anders als vor 100 Jahren versteht sich das Ganze mehr als Begegnungsfest denn als Siegesfeier. Dies ist angesichts der nachfolgenden europäischen Kriege mehr als verständlich. So lädt man alle an der Schlacht beteiligten Völker erwartungsfroh nach Leipzig ein. Geplant ist unter anderem ein „Internationales Sommercamp“ unter der Überschrift „Europa: gestern – heute – morgen“. Es bleibt abzuwarten, ob diese Einladung mehr als abzählbare Delegationen annehmen werden. Zu begrüßen wäre es, schließlich brachte erst die Besatzungszeit Napoleons die europäischen Völker und Nationen, wenn auch nur kurzfristig, zusammen. Und so wird es in Leipzig auch durchaus volkstümlich zugehen. Die Schlacht soll vor den Toren als großes Spektakel nachgestellt werden, zwischendurch wird man sich mit Volksbrot und Volksbier stärken können. Bei aller Bierseligkeit wird es sich zeigen müssen, ob diesmal in der großen Stadt Platz für Besinnliches und Tiefgründiges bleiben wird. Die angekündigten Projekte geben zumindest Ausblick auf eine vielfältige Würdigung eines wichtigen europäischen Ereignisses.
In einem ist das sächsische Fest anno 2013 jenem auf dem Berg schon heute überlegen: In Leipzig ist ein Fest der Begegnung geplant. Wie war es noch einst? Die abstinenten Bünde von 1913 wurden von den zeitkonformen Verbindungen gemieden und von gemeinsamen Veranstaltungen ausgeschlossen. So versammelte man sich mit Gleichgesinnten fernab des großen Kommerstreibens. Verbote lassen Alternativen erwachsen, dies ist ein bleibendes Gesetz. Auch 2013 wird Vielfalt ihren Platz finden.
„Die Freideutsche Jugend will nach eigener Bestimmung, vor eigener Verantwortung, in innerer Wahrhaftigkeit ihr Leben gestalten. Für diese innere Freiheit tritt sie unter allen Umständen geschlossen ein.
Zur gegenseitigen Verständigung werden Freideutsche Jugendtage abgehalten. Alle gemeinsamen Veranstaltungen der Freideutschen Jugend sind alkohol- und nikotinfrei.“ (Meißnerformel anno 1913)
Festekanon:
19.-21. Oktober 2012 : Meißnernacht zwischen Meißner und Burg Ludwigstein „Aufbruch“ ins Meißnerjahr
7. bis 16. Juli 2013 : Internationales Sommercamp in Leipzig “Europa: gestern – heute – morgen”
2.-6. Oktober 2013 : Meißnerfahrt – Jugend in Bewegung
2.-6. Oktober 2013 : 100 Jahre Freideutscher Jugendtag
11.- 20. Oktober 2013 : 200 Jahre Völkerschlacht – 100 Jahre Völkerschlachtdenkmal in Leipzig
Jubiläumsjahr 2013 : 150 Jahre Befreiungshalle Kelheim
Bildquelle: http://www.voelkerbrot.eu