Winterfahrt der Münchner Gilde

von Sebastian

Natur, Wandern, neue Bekanntschaften, Gespräche, Gesang und Verpflegung am Feuer, mit Freunden das alte Jahr ausklingen lassen: Winterfahrt.

Am Anfang stand ein einfacher Plan:

Nachdem ein paar von uns schon im letzten Jahr eine kleine Tour in das westliche Allgäu unternommen hatten, wollten wir auch in diesem Jahr unsere Winterfahrt in Alpennähe unternehmen, um so die Silvesternacht in hoher Lage mit reicher Aussicht zu verbringen.

Es war daher wohl kaum mehr Zufall, daß ein guter Bekannter unsere Überlegungen ausgerechnet mit dem Vorschlag einer Burgentour durch das Allgäu ergänzte, die er schon lange hatte durchführen wollen. Allgäu, die II. also? Warum nicht?!

Schnell organisierte man alle Termine, fand sich als Gruppe zusammen und traf sich – da eine Silvesternacht in angemessener Stimmung natürlich erst einmal in mehrtägiger Fahrt erwandert werden will – am Vormittag des 28. Dezember in Kaufbeuren.

Eine kurze, herzliche Begrüßung am Bahnhof, die Aufstockung der Ausrüstung um Lebensmittel und Kohtenbahnen – schon konnte es los gehen!

Kaum am ersten Halt, dem alten Burgfried der Burg Kemnat, angelangt, lockte unser Sang vom alten Gemäuer schon die Wirtin des benachbarten Amtshauses der Burg an. Wir hatten Glück, und nach einer kurzen Ermahnung, keine Partys zu feiern, erschien ihr unser Sang offensichtlich wohlklingend genug, uns eine herrliche Runde Kaffee und Kuchen auf Kosten des Hauses zu bescheren – für die hier im übrigen eine ausdrückliche Empfehlung weitergegeben werden kann!

So bequem die Einrichtung des alten Gerichtssaals auch war, wir mußten natürlich weiter, um unser Tagesziel zu erreichen, und so nahm man denn nach einem herzlichen „Wir kamen einst von Piemont“ frisch gestärkt Abschied und zog weiter ins Land.

Unsere anfänglichen Bedenken ob des schlechten Wetters hatten sich mittlerweile als vollkommen unbegründet erwiesen, und umgeben von geradezu herbstlichem Wetter näherten wir uns strammen Schrittes und frohen Mutes den Alpen.

Erstes Etappenziel war das Bauernhaus einer befreundeten Familie, und auch hier bestätigte sich unser vorheriger Eindruck von den Einwohnern des Allgäus. Wir wurden überaus herzlich aufgenommen und großzügig bewirtet, und so zog sich der Abend so noch lange Zeit voller Gespräch und Gesang hin.

Fast schon ein wenig wehmütig gestaltete sich demgemäß der Aufbruch von den neuen Bekanntschaften am nächsten Morgen. Doch was half es? Die nächste Schlafstelle wollte erwandert werden, und zumindest der Sohn des Hauses schloß sich uns nun unerwartet in Wandervogelmanier an, um das gute Wetter und den Staub der Straßen mit uns zu genießen.

Als wir kurz vor unserem Ziel endlich einen Bauernhof kreuzten, blieb die Forderung nach Gesang natürlich nicht aus, und nur ein Unmensch oder Abstinenzler hätte wohl den kredenzten Schnaps ausgeschlagen.

Kurze Zeit später, die Sonne war schon fast vollständig verschwunden, erreichten wir endlich die alte Burgruine in der Nähe Kemptens. Die Aussicht über die Stadt und in Richtung der Alpen war tatsächlich grandios, und zur Freude aller trafen kurz darauf auch zwei weitere Fahrtenkameraden ein, die sich zuvor für den Abend angekündigt hatten.

Schnell wurde Feuerholz gesammelt, der eine Teil besorgte Wasser von den nahegelegenen Bauernhöfen, ein anderer kochte, und so konnten wir schon kurze Zeit später im Schein der Flammen eine herrliche Kartoffelsuppe genießen. Auch an diesem Tag zog sich der Gesang, diesmal unter freiem Himmel, lang in die Nacht hinein, und das Lager schlief  am Ende trotz eines starken Nachtwindes zufrieden ein.

Am Morgen des dritten Tages dann die große Ausnahme dieser Fahrt: Regen! Schnell schlüpften wir aus den Schlafsäcken, packten zusammen und wanderten los.

Wie viele Burgruinen hier zu finden sind! Zwar verschob sich das Frühstück aufgrund des Regens, doch war das natürlich kein Grund, darauf zu verzichten, es kurze Zeit später zwischen alten Gemäuern zu kredenzen und das Wesen des Allgäuer „Raubrittertums“ zu erörtern …

Am frühen Nachmittag hatten wir schließlich unser erstes Etappenziel erreicht.

Aufgrund der ehrgeizigen Tagesstrecke hieß es nun: aufteilen und trampen. Eine kurze Besprechung später war der nächste Zielpunkt ausgemacht. Es galt, den kleinen Trampwettstreit über 3 Stationen für sich zu gewinnen.

Teils auf der Ladefläche eines alten Piaggio, teils als Mitfahrer eines extra für uns zurückgekehrten alten Mannes kamen wir schließlich alle wohlbehalten in Eisenberg an.

Noch einmal füllten sich die Wasservorräte, dann ging es hinauf zum letzten Abschnitt des heutigen Tages. Ziel: Die Burgruine Hohenfreyberg.

Obwohl die Burg wohl zu den touristischen Höhepunkten des Allgäus zählt, war zuvor nur einer von uns dort gewesen. Unverständlicherweise, wie sich herausstellen sollte. Da wir die Burg als späte Gäste nun jedoch vollständig für uns allein hatten, entschädigte das für alle vorherigen Versäumnisse, und wir verbrachten trotz der einbrechenden Kälte einen sehr angenehmen Abend bei sternenklarem Himmel.

Spätestens am nächsten Morgen hatte sich endlich das Gefühl wahrer Fahrtenstimmung ausgebreitet. Wir waren bereit für das Ziel unserer Fahrt: die Besteigung des Breitenberges.

Doch zunächst genoß man beim Frühstück auf der nahegelegenen Schwesterburg noch einmal die Aussicht auf Füssen und die Alpen, bevor es weitergehen sollte nach Pfronten.

Hier wurden ein letztes Mal die Vorräte ergänzt, dann mußte es sein: der Berg wollte bezwungen werden.

Bald war die Schneegrenze genommen, und erstaunlich schnell arbeiteten wir uns zum Berghaus auf 1500m ü. NN hoch. Wir waren vor der Zeit, im Dunkeln einen unauffälligen Schlafplatz zu finden, und so besann man sich wieder einmal auf Kaffee, um die Zeit bis zur Dämmerung zu überbrücken. Schon bald füllte sich die Hütte mit unserem Gesang.

Kurz vor Einbruch der Dämmerung, das Skigebiet hatte sich mittlerweile geleert, brachen wir schließlich wieder auf.

Bis zu diesem Zeitpunkt hatte niemand genau gewußt, was uns erwarten würde.

Die Schutzhütte auf dem Gipfel war zwar bekannt, diese war jedoch, wie wir unterwegs erfahren hatten, privat gebucht, und auch so war es natürlich unser Ehrgeiz, irgendwo in Gipfelnähe einen guten Schlafplatz unter freiem Himmel zu finden.

Wie so oft schon auf dieser Fahrt war uns das Schicksal natürlich auch hier wieder einmal hold: Knapp unterhalb des Gipfels fand sich ein am Südhang gelegenes kleines Stück exponierten Felsens, das einzige schneefreie Gelände weit und breit. Unsere Feuerstelle war gefunden, das Lager direkt zu Füßen des Felsens wurde in den Schnee gegraben.

Das alte Jahr sollte nun noch 6 Stunden dauern, und so bereiteten wir uns ein warmes Mahl und genossen die Stille und Einsamkeit, eingerahmt von einem überwältigenden Einblick in die von letzten Sonnenstrahlen bekränzten südwestlichen Gipfel.

Gespräche und Gesang ließen die Stunden verfliegen, und bald schon wurde es Zeit, einen geeigneten Platz zu finden, um das neue Jahr gebührend in Empfang zu nehmen.

Es muß fast auf die Minute genau gewesen sein, als unser Fackelzug schließlich einen abgelegenen Teil des Gipfels erreichte.

Die Aussicht war grandios: eine riesige Ebene, erfüllt von tausenden Lichtern, Raketen, Explosionen.

2013 hatte begonnen.

Es dauerte eine Weile, bis wir uns von dem Anblick gelöst hatten, und nach einem Moment des Schweigens begrüßten wir das neue Jahr schließlich feierlich mit Werner Helwigs Lied „Nacht der großen Wogen“.

Ein, vielleicht zwei Stunden verbrachten wir schließlich noch am Feuer und gedachten des alten Jahres und der Erwartungen auf Neues, bevor schließlich alle von uns das Schlaflager bezogen.

. . .

Der erste Tag des neuen Jahres begann verhältnismäßig früh. Schon kurz nach dem Sonnenaufgang waren ein paar von uns aufgestanden, um ein neues Feuer zu entfachen, und so stärkten wir uns noch gemütlich für den Abstieg, während die Sonne ihren Aufstieg vollendete. Es war Zeit geworden, Abschied zu nehmen! Der Abstieg war schnell vollendet, und auch die Zugfahrt kam uns nicht wirklich lang vor, obgleich doch einige von uns erst am frühen Abend wieder ihr heimatliches Bett erreichen sollten. Es war eine Winterfahrt, an die wir alle uns wohl noch lange Zeit erinnern werden.

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