Dankenswerterweise wurden wir auf ein kürzlich erschienenes Heft zur jüdischen Jugendbewegung und ihre Verbindung zum Hohen Meißner aufmerksam gemacht. Gerade in der heutigen Situation, wo neben der Deutschen Gildenschaft als letzter aktiver jugendbewegter Studentenverbindung[1], neben traditionellen (u.a. Fahrende Gesellen[2]) und sozialistischen Bünden (SJD-Die Falken[3]) über die Ausladung der Falken auch dessen jüdisch, sozialistisch und jugendbewegt geprägter Freundschaftsbund Hashomer Hatzair von einem Erinnerungsfeste auf dem Hohen Meißner ausgeladen wurde, bietet es sich an, den deutsch-jüdischen Teil der frühen Jugendbewegung in Erinnerung zu rufen. Das Heft „Vom Hohen Meißner zum Kibbuz“ ist in der puls-Reihe als puls 28 im Verlag der Jugendbewegung erschienen. Zum Inhalt heißt es dort:
„Berichtet wird darin über die Geschichte der deutsch-jüdischen Jugendgemeinschaft “Werkleute” in den Jahren vor und nach 1933 und deren Weg zu einem kommunitären, lebensreformerischen Projekt in Palästina, vor Gründung des Staates Israel. Die “Werkleute” kamen aus dem deutsch-jüdischen Wanderbund “Kameraden”, der sich an den Gruppenformen des Wandervogels und den Ideen der Freideutschen Jugend, der Meißner-Formel von 1913 orientierte. Insgesamt bildeten die deutsch-jüdischen Bünde, wenn auch vom Antisemitismus schon bedrängt, einen besonders aktiven und interessanten Teil der Jugendbewegung, bis der hitlerdeutsche Staat ihre Geschichte gewaltsam abbrach.“
Von Irmgard Klönne, der Autorin dieses Heftes, ist in der “puls”- Reihe bereits eine Schilderung des Gruppenlebens in der deutsch-jüdischen jugendbewegten Szene vor dem “Dritten Reich” erschienen, unter dem Titel “Deutsch, jüdisch, bündisch”( “puls 21″). Beide Hefte sind mit vielen Fotos und Dokumenten ausgestattet. Sie erinnern an eine besondere Ausformung historischer Jugendkulturen in Deutschland, die nicht vergessen sein sollte.”
Am Rande eines Treffens bei der Arbeitsgemeinschaft Burg Waldeck (ABW) wurde die damals noch frische Ausladung der Falken und ihres jüdischen Freundschaftsbundes von einem der Hauptagitatoren der Ausladungskampagne als „Bauernopfer“ abgetan, welches man wohl hinnehmen und akzeptieren müsse.
Die Falken laden nun zusammen mit der Alevitischen Jugend und mit Hashomer Hatzair alternativ zu einem Stadtlager nach Weimar. Spannend bei dieser Ortswahl ist der Umstand, daß schon die Freideutschen anno 1913 zwischen dem Kulturlager in Weimar und dem Naturlager auf dem Meißner schwankten. In einer weiteren Hinsicht scheinen wir also recht zu behalten:
„Verbote lassen Alternativen erwachsen, dies ist ein bleibendes Gesetz. Auch 2013 wird Vielfalt ihren Platz finden.“
[1] Akademische, jugendbewegte Gruppen waren Hauptorganisatoren des ersten „Ersten Freideutschen Jugendtages“ im Oktober 1913.
Buchempfehlung: Bei dieser Gelegenheit möchten wir erneut auf ein Buch zur gleichen Thematik hinweisen. In diesem Buch findet der jüdische Wanderbund Kameraden ebenso Erwähnung wie der noch heute existierende Bund Hashomer Hatzair. Hieraus ist auch der Bilderkanon zum Motiv “Nähe/Gleichklang” entnommen. (S.71, das letzte Bild übrigens vom Hohen Meißner).
Ulrike Pilarczyk
Jüdische Jugendbewegung und zionistische Erziehungspraxis in Deutschland und Palästina/Israel
277 Seiten mit 206 Abbildungen Einband: gebunden, Schutzumschlag Format: 16,5 x 24 cm ISBN: 978-3-8353-0439-0