Unter dem Titel „Vorkrieg 1913“ lag der Wochenzeitung Das Parlament in Ausgabe 12/2013 ein Heft aus der Reihe Aus Politik und Zeitgeschichte (APuZ) bei, welches vielfältige Einblicke in das Vorkriegsjahr 1913 gewährt. Neben den uns schon bekannten Schlaglichtern von Florian Illies schildern die Beiträge die krisenhafte und „bedingt kriegsbereite“ Situation in Europa und die zeitgleiche Entwicklung in Amerika. Christoph Nübel führt dabei in seinem Beitrag „Bedingt kriegsbereit. Kriegserwartung in Europa vor 1914“ aus:
„Das Militär verfügte in den meisten europäischen Staaten über ein hohes Ansehen und diente als Vorbild für Jugendorganisationen. Staatliche Festakte kamen kaum ohne Militärparaden aus, Veteranenverbände hielten die Erinnerung an vergangene Kämpfe aufrecht […]
Militärische Traditionsvereine, die häufig in die lokale Festkultur integriert waren, erinnerten an militärische Werte und die kriegerische Geschichte. Veteranen genossen vor allem in Deutschland und Frankreich ein hohes Ansehen. Auch wenn sie vor einem Krieg warnten, weil sie seine Schrecken kennengelernt hatten, verbreiteten sie populäre Kriegserzählungen. Daneben existierten zwar zahlreiche unabhängige Jugendverbände, die sich vom militärischen Gedankengut distanzierten. Doch auch sie waren bereit, die Nation zu verteidigen, sollte es zu einem Krieg kommen. In der Tat gehörten große Teile der europäischen Jugend paramilitärischen Verbänden an. Der 1911 gegründete Jungdeutschlandbund erfreute sich der tatkräftigen Unterstützung der Armee. Er gab die „Jungdeutschland-Post“ heraus, in der es 1913 hieß: ‚Still und tief im deutschen Herzen muß die Freude am Krieg und ein Sehnen nach ihm leben, weil wir der Feinde genug haben.’ Auch in Frankreich erfreuten sich die sociétés de préparation militaire staatlichen Beistands. Beide Staaten banden die Jugendorganisationen um 1910 bei offiziellen Festakten verstärkt ein. In Großbritannien gab es in public schools und Universitäten ein militärisches Training, das auch bei den 1908 vom britischen General Robert Baden-Powell gegründeten boy scouts eine Rolle spielte.“ (Christoph Nübel, Bedingt Kriegsbedingt. Kriegserwartungen in Europa vor 1914, in APuZ 12/2013)
Das Heft endet wenig kriegerisch, eher sarkastisch bis beschwingt mit dem Beitrag „Tangomanie“ von Bernd Polster über die damalige Begeisterung der „schwofenden Avantgarde“ für den romantischen Tango. Die Berliner Revue tanzte bis zum Tanzverbot im Jahr 1914 und sang in Vorahnung des anstehenden Totentanzes:
„Wir tanzen auf einem Pulverfaß,
und g’rad das, g’rad das, g’rad das macht Spaß!
Man tanzt – und wenn schon die Lunte brennt.
Man tanzt – man tanzt – bis zum letzten Moment!“
(aus: Die oberen Zehntausend – Amerikanische Tanzoperette, Metropoltheater Berlin, ab 1909)
Hinweis: Das Heft kann bei der Bundeszentrale oder den Landeszentralen für politische Bildung abgeholt, heruntergeladen oder bestellt werden.