Der diesjährige Hamburger Singewettstreit (HSW) und dessen Nachfeier wurden überwiegend als harmonisches jugendbewegtes Fest wahrgenommen. Nur im kleinen Kreis (öffentliche und interne Briefe) wurde heuer über einen weniger schönen Vorfall auf der Nachfeier des Wettstreits diskutiert. Der Vorbereitungskreis des HSW sah sich infolgedessen veranlaßt, sich von den Ereignissen auf der offiziellen Nachfeier zu distanzieren und seine Selbstdarstellung entsprechend anzupassen.
Eine spontane Ansage gegen linken und rechten Extremismus auf der Bühne des Wettstreits führte auf der abendlichen Nachfeier zu einer Eskalation, die man eigentlich zu vermeiden suchte. Einige Jugendbewegte nahmen die Worte auf der Bühne zum Anlaß, minderjährige Freibünder von der Tanzfläche zu ziehen und sie durch aggressives Verhalten zum Gehen zu zwingen. In einem Erlebnisbericht liest sich das so:
„Während des Volkstanzes wurden drei minderjährige Freibünder von einigen Mitgliedern des Schleswig-Holsteiner BdP-Stammes Geisterburg aus Bargteheide gewaltsam aus einem Tanzkreis herausgezogen. Dieser Vorfall ereignete sich nicht am Anfang der Nachfeier, sondern nach über zwei Stunden gemeinsamen Singens und Tanzens. Die Jugendlichen wurden sofort danach von den mindestens 5 bis 10 Jahre älteren BdP Pfadfindern umringt und man teilte ihnen in einschüchternder Weise mit, daß der Freibund unerwünscht sei und sie zu gehen hätten, da man hier sonst nicht feiern könne.“
Die ersehnte Harmonie wurde mit fraglichen Mitteln wieder hergestellt. Die Verantwortlichen des Singewettstreites haben sich erfreulicherweise klar und deutlich gegen diese Un-Art der Auseinandersetzung positioniert. Seit einigen Tagen ist in der Selbstdarstellung des Singewettstreites u.a. der folgende Satz ergänzt:
„Eigenmächtiges oder gar gewalttätiges Handeln wird nicht toleriert.“
Zu den konkreten Ereignissen auf der Nachfeier wird wie folgt Stellung bezogen:
„Von den Vorfällen auf der offiziellen Nachfeier des Hamburger Singewettstreites, die von der FCP veranstaltet wurde, möchten wir uns ausdrücklich distanzieren. Wir lehnen jede Form von Gewaltanwendung ab.“
Gewaltverzicht als jugendbewegte Maxime sollte eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein. Die beteiligten Pfadfinder lassen dagegen jede Einsicht vermissen. So leugnet man das Alter der Betroffenen und spielt das eigene aggressive Verhalten herunter beziehungsweise hält dieses sogar für legitim. Einige Landesverbände des Bund der Pfadfinderinnen und Pfadfinder (BdP) verschweigen in einem offenen Brief an den Vorbereitungskreis die Vorkommnisse gleich ganz und stellen zum Singewettstreit lediglich fest:
„Wir empfinden den Singewettstreit als äußerst harmonische und musikalisch hochwertige Veranstaltung, bei der die pädagogischen Ziele der Pfadfinderbewegung und die Förderung der musischen Arbeit im Mittelpunkt stehen.“
Inwiefern diese „Harmonie“ seitens der Rauswerfer oder –geworfenen gestört wurde, bleibt wie der ganze Vorfall unerwähnt. Ebenso welchen „pädagogischen Zielen“ und Konzepten das geschilderte Handeln entsprach. Eine Entschuldigung, Distanzierung oder zumindest Erklärung zu den Vorfällen in Hamburg steht seitens des BdP bisher aus.
Statt dessen wird unmißverständlich eingefordert, was auf der Nachfeier mit fragwürdigen Mitteln erreicht wurde. So heißt es in der Erklärung weiter:
„Wir erwarten von kommenden Hamburger Singewettstreiten, daß Mitglieder dieser Bünde weder auf Bühne, noch als Zuschauer oder Marktstandbetreiber an der Veranstaltung teilnehmen.“
Zur Durchsetzung dieser Forderung bietet sich der Großbund sogar höchstpersönlich an. So preisen die 5 Landesverbände unverhohlen ihre bundeseigene Expertenriege an, als wäre die ausgeübte Selbstjustiz nicht des Einsatzes genug gewesen:
„Um einen Ausschluss dieser Bünde beim Hamburger Singewettstreit durchzusetzen, möchten wir euch eine Zusammenarbeit anbieten. In unseren Reihen gibt es unterschiedliche Personen, die sich intensiv mit dem Thema beschäftigt haben und ihre Mitarbeit anbieten würden.“
Bisher wurde aufgrund der Vorstandswahlen auf eine Stellungnahme verzichtet. Da der Führungswechsel nun vollzogen ist, läge es an der neuen Vorsitzenden, eine Erklärung zu den Ereignissen in Hamburg abzugeben. Gewalt darf keinesfalls ein Mittel der Auseinandersetzung sein – dieser Konsens muß ein demokratischer und jugendbewegter Grundsatz bleiben.
Hinweis: Die zitierten und kommentieren Schriftstücke können auf Nachfrage gerne zugesandt werden.