Nur noch ein dünnes Band

Kategorien: 1963, Jugendbewegung heute
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Published on: 24. Januar 2010

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Quo vadis, RjB?

von Andreas (Weinbacher Wandervogel)

Der Ring junger Bünde (RjB), dem wir Weinbacher ja auch angehören wandelt sich: Von einem Forum jugendbewegter Bünde, einem „Zusammenschluss weiterhin selbständiger, unabhängiger und selbstverantwortlicher Jugendbünde“, deren gemeinsame Interessen er nach außen hin zu vertreten und deren Verbindung er untereinander fördern will, wie es in der Satzung von 1963 steht, hin zu einem Konformistenclub.

Vorbei die Zeit, als „der Verein den besonderen gesellschaftlichen und kulturellen Belangen der Jugend und ihrer Erziehung dienen, sowie für diese Aufgabe Verständnis in der Öffentlichkeit verbreiten“ wollte und sich dabei auch noch jugendbewegt und idealistisch auf die Erklärung der jungen Bünde zum Meißnertag 1963 berief.„Die Bünde sind um die ganze Fülle des Lebens bemüht“, wird da gesagt. Weiter ist von „… geistiger Anstrengung im Gespräch“ die Rede und vom „Mut zur Auseinandersetzung mit dem anderen und Bewahrung in der Verantwortung für den anderen wie für das Ganze“, das zudem Lebensstil und Haltung der bündischen Jugend bestimmt.

Zur Abgrenzung zu Jugendverbänden heißt es weiter, daß bei diesen „nur deren Zielvorstellungen für den Jugendlichen verbindlich“ seien, und daß diese „von Er­wachsenenorganisationen vorgegeben“ sind.

„Dann sehen wir die Gefahr, daß der Heranwachsende seiner Entscheidungsfreiheit beraubt wird. Wir wol­len ihm eine Reifezeit sichern, in der er frei von Ver­bandsinteressen das Gesellschaftsganze betrachten und zur Entscheidungsfähigkeit gelangen kann. Ein politisches Engagement darf nur auf dem selbständigen Urteil eines erwachsenen Menschen beruhen, nicht auf Gewöhnung. Die bündische Gemeinschaft vermittelt humane Werte und Haltungen zweckfrei. Wir sind deshalb der Ansicht, daß sie besser auf eine freie Gesellschaft vorbereitet, als die Gruppe eines Jugendverbandes, die frühzeitig an interessengebundenen Aktionen teilnimmt.“

“Wir wissen, daß der Versuch der bündischen Jugend, ein Leben in Freiheit zu führen, für ihre Mitglieder wie für die Gesellschaft ein Wagnis bedeutet. Wir fordern von einer Gesellschaft, die der Freiheit verpflichtet ist, dieses Wagnis nicht nur zu dulden, sondern ihm den nötigen Raum zu sichern. Wir wehren uns gegen alle Bestrebungen, die uns diesen Raum einengen.

Da unser Bemühen um Selbstverwirklichung nur in einem freien Staat gelingen kann, verpflichten wir uns, die uns anvertraute Jugend von der Idee des demokratischen Rechtsstaates zu überzeugen. … Für die Freiheit des Jugendlichen, sich mit Freunden zu einer Gruppe zusammenzuschließen, um in Verantwortung vor dem eigenen Gewissen wie in Verpflichtung für die Gesellschaft ein Jugendleben in eigener Bestimmung zu gestalten, tritt die bündische Jugend unter allen Umständen geschlossen ein.“

Welch hehre Ansprüche! Verbunden sogar mit der Forde­rung an die Gesellschaft, „dieses Wagnis nicht nur zu dulden“, sondern diesen Freiraum zu sichern!

Selbstbewußt und auf den Wert eigener Vorstellungen und Ziele vertrauend richtete sich die Forderung ausdrücklich an „die Gesellschaft“, also nicht nur an ‚den Staat’, bzw. ‚den Gesetzgeber’ und schloss so zweifellos auch die Medien und andere gesellschaftliche Meinungsführer ein. 1963 waren das möglicherweise eher konservative Kreise um die Kirchen, Jugendverbandsfunktionäre, aber gewiß auch Modernisten und die Verfechter des ungebremsten technischen –produk­tiven ‚Fortschritts’, unter dem nicht nur die Umwelt zu leiden hatte, sondern auch die Gestaltung des urbanen Umfeldes.

Heute ist von jener Selbstsicherheit und Vertrauen auf die Richtigkeit eigener Ziele und den eigenen Wertekanon bei vielen Bünden wenig zu spüren. Mit angstvollem Blick auf die Medien, ja sogar einzelne kritische Eltern (wie im letzten Freischarheft ausführlich erläutert), wirft man die Vorstellungen von Freiraum und Wagnis, ja selbst Prinzipien wie die Selbsterringungund –Erfahrung, über Bord und engt sich den Raum schon mal selbst ein. Und, als wäre das nicht schon schlimm genug, am liebsten auch noch den der anderen, so der Burg Ludwigstein.

Anders ist der Antrag des DPB, der bei nur zwei Gegenstimmen mit überwältigender Mehrheit angenommen wurde, nicht zu verstehen. Hier heißt es:

„Die Jugendbildungsstätte gGmbH wird im Sinne des Ringes junger Bünde (RjB) durch ihren Geschäftsführer dafür Sorge tragen, daß eine Begegnung mit Extremisten und eine Beeinflussung durch extremistische oder völkisch-nationalistische Ideologien (im Sinne der Definitionen der Bundeszentrale für politische Bildung) bei den von ihr ausgerichteten Veranstaltungen ausgeschlossen ist.
Wir erwarten von allen Gestaltern und Teilnehmern der Veranstaltungen der Jugendbildungsstätte nicht nur Lippenbekenntnisse, sondern ein aktives Eintreten für unsere Demokratie und die ihr zugrundeliegende Werteordnung. Das schließt beispielsweise eine Zusammenarbeit mit Gegnern dieser Ordnung oder bewusste gemeinsame Auftritte mit diesen ebenso aus wie das Propagieren einer völkischnationalistischen Gesinnung oder die Möglichkeit der Darstellung und Bereitstellung von Werbefläche für extremistische Organisationen und Ideen in eigenen Publikationen sowie gebiets- und geschichtsrevisionistische Bestrebungen oder Äußerungen. Von den Veranstaltungen können Einzelpersonen, Gruppen oder Organisationen ausgeschlossen werden. Über Zweifelsfälle entscheidet die Bundesführerversammlung des RjB als Mehrheitsgesellschafter der Jugendbildungsstätte gGmbH.“

Die Regelung zielt vordergründig auf die Jugendbildungstätte, in erster Linie geht es aber um Veranstaltungen auf der Burg Ludwigstein, die von der JuBiLu zumindest mitorganisiert werden, wie z.B. das Beräunertreffen, das Kirschenfest oder die Meißnernacht. Dort sollen zukünftig diverse Bünde, Gruppen oder Einzelpersonen ausgeschlossen werden.

Klar, mit Extremisten wollen wir alle nichts zu tunhaben, aber die werden ja schon durch die heutige Erklärung zur „Offenen Burg“ von der Teilnahme bei Ludwigsteinveranstaltungen und von sonstiger Burgnutzung ausgeschlossen.

Hierin heißt es nämlich:

„…. Schon deshalb steht die Burg weiterhin dafür ein, daß eine Begegnung mit Extre­mi­sten (im Sinne der Definition der Bundeszentrale für politische Bildung) auf dem Ludwigstein ausge­schlos­sen ist.

Mit der Grundsatzerklärung zum Meißnertreffen 1963 steckten die jungen Bünde ihren Rahmen ab:

Da unser Bemühen um Selbstverwirklichung nur in einem freien Staat gelingen kann, verpflichten wir uns, die uns anvertraute Jugend von der Idee des demokratischen Rechtsstaates zu überzeugen.

Für alle Gruppen, die am Burgleben teilnehmen, wird diese Selbstverpflichtung als bindend angesehen. Insbesondere wird in diesem Zusammenhang auf Art. 3(3) GG hingewiesen:

„Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen be­nach­teiligt oder bevorzugt werden.“ Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

Als Burg an der ehemaligen Grenze zweier Staatenbündnisse steht die Jugendburg Ludwigstein für Versöhnung und für den Blick nach vorn. Gebietsrevisionistische Auffassungen haben auf dem Lud­wigstein keinen Platz. …“

Extremisten sind unerwünscht, eine Selbstverpflichtung zur freiheitlichen Grundordnung wird vorausgesetzt, ein Bezug zur Meißnererklärung von 1963 hergestellt, damit sollte eigentlich der Rahmen abgesteckt sein, mit dem man im Sinne der Meißnerformeln und bündischer Tradition gut zurecht kommen könnte.

Ja, könnte, – wenn die anfangs aufgeführten Formelinhalte, die von Selbsterringung und innerer Freiheitsprechen, von Wahrhaftigkeit, Wagnis und Freiräumen auch heute noch ernst und wichtig genommen würden.

Doch darum scheint es einigen der Bundesführer gar nicht mehr zu gehen, stattdessen eher um die Durchsetzung eigener politischer Auffassungen, was im Gegensatz zur Meißnererklärung von 63 steht. Mit schwammigen Begriffen wie „völkischnationalistische Gesinnung“ und „geschichtsrevisionistische Bestrebungen oder Äußerungen“ werden Werkzeuge geschaffen, mit denen man später nach Belieben Andersdenkende bzw. nicht dem Zeitgeist Folgende stigmatisieren und außen vorhalten kann.

Denn was genau ist völkisch, was nationalistisches Verhalten? Was sind geschichtsrevisionistische Äußerungen?Ist jemand, der inmitten einer deutschen Großstadt lebend, nicht unbedingt von den ‚Bereicherungen’, die Einwanderung mit sich bringt, überzeugt ist und Kritik äußert, womöglich gar in der eigenen Bundeszeitschrift oder in einem sonstigen Forum, schon völkisch oder nationalistisch? Betrifft das dann auch gleich den Bund, der eine solche Diskussion überhaupt zulässt? Ist jemand, der Stalins Kriegsgelüste und Massenmorde aufzeigt, oder Vertreibungsverbrechen, bereits ein ‚Geschichtsrevisionist’?

Die Erlebnisse der letzten Jahre auch im RjB und Äußerungen verschiedener Akteure dieser Initiative zeigen, daß diese Fragen nicht mehr offen sind. Für die Stigmatisierung genügt inzwischen bereits der Verdacht, Eindruck und Vorstellung, den einzelne Meinungsführer dazu haben oder den andere auch externe ‚Gutmenschen’ oder fragwürdige Medien dazu äußern. Ein objektives Gesamtbild, einen Bezug zur Realität, zum tatsächlichen Tun des betreffenden Einzelnen oder Bundes wird dabei gar nicht mehr hergestellt. Das ist sehr bequem, denn so braucht man keine besseren Argumente mehr und kann dennoch sehr einfach unbequeme oder unliebsame Andere brandmarken, ausschließen oder zumindest mundtot machen. Dabei betreibt man das gleiche Geschäft, das man anderen vorwirft und eigentlich verhindern will, nämlich politische Arbeit, Beeinflussung und Lenkung auch Jugendlicher im eigenen Sinne.

Man redet viel von Toleranz und Demokratie – und kann sie im Grunde nicht ertragen, und hebelt dann das selbst aus, was man zu schützen vorgibt! Am Ende ist es genau das, allerdings immer den anderen vorgeworfene, ‚Lippenbekenntnis’ zur Demokratie. Man nennt sich Demokrat und nagt doch derweilen schon kräftig an der demokratischen Wurzel, wahrscheinlich,ohne es selbst wahrzunehmen.

Was mögen die Gründe für solches Verhalten sein? Bewusstes Durchsetzen eigener politischer Vorstellungen, letztlich auch zum Preis der Abschaffung oder zumindest erheblicher Einschränkung von Demokratie und Pluralismus, oder einfach nur fehlender Überblick, Realitätsferne, Naivität und /oder Konformismus oder gar Einfalt?Alles womöglich noch gepaart mit einem Schuß Ersatzreligion und dem daraus resultierenden Wunsch, etwas ‚Gutes’, Moralisches und gesellschaftlich Anerkanntes tun zu wollen?


Die Tendenz, eigene Vorstellungen zur Norm zu erklären und alle anderen darunter unterwerfen zu wollen, ähnelt sehr stark den Methoden totalitärer Regime. Kommunisten und Nazis haben das genauso gemacht. Und genau so und aus diesem Geist werden heutzutage immer wieder viele potentielle Redner und Vortragende aus dem konservativen Bereich von politkorrekten moralischen Übermenschen und Antifa an Auftritten gehindert.

Doch müssen wir in denjenigen Bünden, die wir wissen, was wir wollen und auf fester Wertegrundlage stehen, gewiß keine Nazis oder Anhänger sonstiger totalitärer Systeme sind und keiner politischen oder ideologischen Richtung zugerechnet werden können und wollen, uns von Konformisten und Trittbrettfahrern des Zeitgeistes vorschreiben lassen, was gut und richtig ist, wer Freund und Feind sein soll?!

Mit einem Geist von 1913, mit Selbsterringung und Erfahrung, gar innerer Wahrhaftigkeit, mit dem Wettbewerb besserer Argumente und Wege, bündischem Streben, Selbstbewußtsein, freiem Gedankenaustausch, dem Aushaltenkönnen anderer Meinungen und einer Suche nach dem besseren Weg für die Gesellschaft oder Konsens hat all das nichts mehr zu tun. Illegale bündische Tätigkeit im 3. Reich wäre damit überhaupt nicht vorstellbar.

War man 1913 auf dem Hohem Meißner noch zusammengekommen, um durchaus kontrovers über Vorstellungen, Einstellungen und Ideen zu ringen und vermeintlich erkannten Fehlern der Gesellschaft eigene Forderungen oder gar bessere Wege gegenüberzustellen, so ist man heute den gesellschaftlichen Meinungsströmungen und der offiziellen Politik angepasst wie selten zuvor. Ja, man verweist sogar bei jeder Gelegenheit auf offizielle Organe, wie z.B. der Bundeszentrale für politische Bildung und übersieht dabei geflissentlich oder aus mangelndem Überblick und Selbsterkenntnis deren Unausgewogenheit und Unschärfe in der Begrifflichkeit.

Verfolgt man die Diskussionen und Themen der letzten Jahre, so stellt sich unweigerlich die Frage: Um was geht es und was ist der RjB heute? Ist er tatsächlich noch ein Forum junger (im Sinne von jugendlicher, lebendiger) Bünde? Geht es noch um jugendbewegte Ziele im Sinne ursprünglicher Formulierungen, Ideen und neuen Aufbruch? Um eine Vertretung nach außen?

Ist dort, im Kreis der Bundesführer, noch so etwas wie jugendlicher Geist, Wagemut, Experimentierfreude, Mut, Idealismus, Selbstbewusstsein und Ausstrahlung vorhanden? Zur Zeit leider wohl eher Fehlanzeige!

Es sind weitgehend alte, eher vergreist als weise wirkende Männer und Frauen, (nicht zu verwechseln mit Damen und Herren), wenn auch Einzelne nicht mal tatsächlich lebensalt sind, die sich da zu Marathonsitzungen zusammenfinden. Kein Wunder dann auch, daß bei fast 10-stündiger Sitzung kaum 15 Minuten über auch geistig anspruchsvolle Zukunftsprojekte, wie das Meißnerlager 2013 gesprochen wurde, über Ideen dazu überhaupt nicht, wohl aber zum wiederholten Male stundenlang über Ängste und Befürchtungen vor rechten Gruppen und über die zum Teil weit zurückliegende Vergangenheit einzelner Bünde.

Aufgabe aus der Satzung heraus wäre hingegen, die positiven Aspekte und den Erfolg bündischer Erziehung selbstbewusst nach außen zu vertreten, dabei ggf. auch gewisse Wagnisse einzugehen und vor allem ungerechtfertigte Angriffe, Verdächtigungen und Unterstellungen von Dritten, so von der Presse, abzuwehren.

Doch stattdessen zuckt man bei jedem Anwurf von außen zusammen, duckt sich weg und folgt leider auch im Kreis der Bundesführungen bis auf wenige Ausnahmen, gut angepasst an den politischen Hauptstrom und charakterlich äußerst fragwürdig, einer zur Zeit in Deutschland grassierenden Mode und stellt zur Betonung eigener Unverdächtigkeit und ebenso weil es bequem, gerne gesehen und von eigenen demokratischen Unzulänglichkeiten ablenkt, gerne andere in Ecken.

Nicht in irgendwelche natürlich, sondern in ‘rechte’. Denn wenig anderes ist in der öffentlichen Diskussion zur Zeit so wirkungsvoll wie die verbale Deportation an einen Platz, den die ansonsten tolerante Gesellschaft für die von ihr Geächteten abgesteckt hat. Diese Todeszone ist in den vergangenen Jahren immer größer geworden, denn zwischen rechts und rechtsextrem wird in der Debatte immer seltener unterschieden. Tragisch besonders in bündischem Kreis, wo statt ideologischer Ausrichtung viel eher nach Charakter, menschlichem Verhalten, Zuverlässigkeit, tatsächlicher Toleranz, Weit- und Weltsicht und Lebensleistung geschaut werden sollte, und zwar über die gesellschaftspolitische Verortung des Einzelnen hinaus. Doch genau das geschieht zumeist nicht. Was steckt, außer menschlicher Schwäche, wie dem Verzicht auf selbständiges Denken und Beurteilen und dem, „ich folge der Masse“ Phänomen, dahinter?

Ist dies alles ein Ergebnis bewusster und gesteuerter Gedankenpolitik?Einer Gedankenpolitik, die nicht erforschen will, was die Menschen bewegt und was sie denken, sondern ihnen einprägen, was sie überhaupt denken und sagen dürfen?

Die Vorgehensweise ist einfach und geschieht durch Formierung und Normung der Vorstellungen und Wahrnehmungen, Bewertung der Erinnerungen und des Fühlens und Wollens und die Belegung von Ereignissen und Sachverhalten mit eindeutigen Wörtern. Doppeldeutigkeiten und Überschneidungen werden dabei getilgt und es wird Angst vor Verstößen erzeugt, z.B. indem Einzelne oder bei uns auch ganze Bünde beispielhaft stigmatisiert und gesellschaftlich ins Abseits befördert werden.

Das gewünschte Ergebnis sind Konformisten, die sich in einem Gefängnis starrer Gedanken bewegen, die ständig Gutes und Anerkanntes, oder besser, alles Mögliche, nur nichts Schlechtes oder Verdächtiges tun wollen, und gar nicht mehr spüren, daß ihre Denk- und Beurteilungsfähigkeit längst beschädigt ist.

Daß dies alles leider auch innerhalb der bündischen Welt und des RjB keine Fiktion ist, belegen die Veranstaltungen, Verlautbarungen, Aufgeregtheiten und leider auch Verleumdungen der letzten beiden Jahre. Dabei schreckten die Hauptakteure nicht einmal vor der Zuhilfenahme von umstrittenen und unseriösen Autoren oder der Anwendung von stasiähnlichen Methoden zurück, wie Ausspionieren, aus dem Zusammenhang reißen und in Sippenhaft nehmen.

Dahinter stehen ganz klar politische Absichten einzelner, aber oft auch nur der naive Wunsch, von der Presse und Öffentlichkeit in Ruhe gelassen oder gesellschaftlich anerkannt zu werden und sich gut und moralisch überlegen fühlen zu können, – ohne dafür besonders viel tun zu müssen.

Doch sollen die Vorliebe oder die Ängste einzelner oder der kindliche Wunsch von der Umgebung (hier z.B. Medien) geliebt zu werden, wirklich Prüfsteine dafür sein, welche Äußerungen und Wege in einer Gesellschaft erlaubt sind, erst recht in einer, die sich in bündischer Tradition sieht?

Unliebsame Meinungen und auch etwaige Graubereiche sind noch lange kein Grund, durch Ausschließen und Fernhalten die Rede- und Gedankenfreiheit auf ein vermeintlich von Duckmäusern bevorzugtes gleichgesinntes Maß zurechtzustutzen.
Sicher ist, und da werden alle zustimmen, daß Grenzpfosten gesetzt werden müssen. Doch wo? Wie eng darf der Rahmen gerade bei uns abgesteckt werden?

Verirrungen, Fehlschlüsse, Verdrehungen und Verleumdungen gehören ebenso zum Meinungsstreit wie Bosheiten, Eiferertum und Unduldsamkeit. Sie können nur in dem Maße bekämpft werden, wie das Wort frei ist, wie man mit Argumenten, nicht Verboten, Verfehlungen und auch Unwahrem widersprechen kann. Eine Freiheit, die nicht mißbraucht werden kann, ist keine. Freiheit schließt nicht die Pflicht ein, stets das Richtige zu denken und stets das Gute zu tun. Fehltritte sind nicht nur das Ergebnis von Freiheit, sie sind auch ihr Beweis.

Trägheit, Feigheit und Gleichgültigkeit hingegen sind noch immer die wichtigsten Ursachender Unmündigkeit. Nicht gesellschaftliche Verhältnisse, nicht das marode Erziehungswesen, nicht die nach 68 erfolgte Entwertung alter Werte sind dafür verantwortlich, daß Menschen im Dämmerschlaf des Konformismus verharren. Unmündigkeit ist selbstverschuldet und meist sehr bequem. So sind viele Menschen schlicht zu faul, sich ihres Verstandes zu bedienen, überlassen das Urteil lieber anderen und ziehen sich in den Käfig der Passivität zurück, verzichten auf das selber Denken und flöten und stimmen der Einfachheit halber mit der Mehrheit oder enthalten sich völlig. Dazu braucht man keinen Mut und starken Willen.

All das lässt sich auch nicht mit der Verantwortung für Jüngere begründen. Genau das Gegenteil ist der Fall. Denn das Ergebnis bündischer Erziehung soll ja der aufgeklärte, mutige und entscheidungsfreudige Mensch sein, nicht der Angsthase und Konformist.

Ein Duckmäuser hingegen bevorzugt stets Gleichgesinnte und empört sich gerne und oft, weil Entrüstung nichts kostet, keinen Mut erfordert und die Anklage anderer die eigene Untätigkeit rechtfertigt und eigene Unzulänglichkeiten übertüncht.

Das Ziel jugendbewegter Bünde muß stets die Selbsterringung und eigene Erfahrung sein. So wie man sich nicht einfach nur damit begnügt, Reisebeschreibungen und Abenteuerbücher zu lesen, sondern sich selbst auf den Weg macht, dabei auch Risiken eingeht und Berge erklettert und abenteuerliche Schluchten durchwandert, so muß man auch bei der Bewertung und Einschätzung anderer Bünde und Personen auf eigene Erfahrungen und Urteile wert legen. Doch diese müssen dann auch möglich sein. Und wo anders, als bei Begegnungen auf überbündischen Lagern, Burgen, Festen, Singewettstreiten und anderen Veranstaltungen?!

(Wohlgemerkt, von wirklichen Extremisten, Radikalen oder partei- oder politikgesteuerten Jugendorganisationen gleich welcher Couleur ist hier nicht die Rede.)

Noch gibt es auch im RjB und in vielen Bünden freie Geisterund vereinzelt objektive Sichtweisen und jugendbewegtes Streben und auch noch ein paar wenige gemeinsame Themengebiete, doch das einigende Band ist dünn geworden. So bleibt denn zur Zeit nur die Hoffung, daß sich irgendwann auch innerlich erstarrte und behäbig gewordene Bünde wie ein Phönix aus der Asche wiedergebären und ängstliche Apparatschiks, politisch ausgerichtete Funktionärstypen oder Mitläufer von einem quer durch alle Bünde nachwachsendem und nachrückendem jugendlichem und von Idealismus geprägtem Geist verdrängt werden. Dann mag sich hoffentlich der RjB erneuern und wieder zu dem werden, was in Satzung und in hehrerer Absicht bei Meißnertreffen formuliert wurde.

Zum Geist der Jugendbewegung gehört nicht Vereinsmeierei, politischer Aktivismus und Indoktrination (egal in welcher Richtung!), Ängstlichkeit und Ausgrenzung, sondern wirkliche Toleranz und vor allem innere Freiheit, Selbsterfahrung- und Erringung, Wahrhaftigkeit, Idealismus, Mut und, ganz entscheidend, nicht die Liebe zu einer Ideologie oder der eigenen Ansicht, sondern zur Jugend. Ihr und ihrer freiheitlichen und freien Entwicklung, Bildung und Zukunft sollte all unser Streben gewidmet sein!

Artikel zuerst erschienen in “Der Leiermann”, Heft 26, Dezember 2009


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