Wir haben den Berg erklommen…

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Published on: 24. Juli 2009

ludwigstein-aufruf-1927von rosé

„Doch die Burg will kein „Dienstleistungsbetrieb für Bündische“ sein. Was in der Jugendbewegung seit je her zählte, war schließlich die eigene Tat und das gemeinsame Schaffen! Wir denken an die 1920er Jahre, als junge Menschen aus allen Richtungen der deutschen Jugendbewegung die Burg als großes Gemeinschaftswerk wieder aufbauten. Die Gemeinschaftsarbeit auf der Burg zeigte, daß der Bruch im Volk in verschiedenste weltanschauliche und politische Gruppierungen von der Jugendbewegung überwunden werden konnte: gemeinsam arbeiteten Völkische zusammen mit Sozialisten, schufteten Arbeiter mit Handwerkern und Studenten, Mitglieder aus religiösen Pfadfindern zusammen mit Mitgliedern heidnischer Gemeinschaften. Sie alle einte das gemeinsame jugendbewegte Band, gemeinsame Ziele und gemeinschaftliches Schaffen. Auf dem Ludwigstein galt der Mensch und nicht seine Gesinnung. Diese Haltung findet sich heute wieder auf der Burg. Sie wird zusehends wieder zum gemeinsamen Zentrum der Bünde, es findet Austausch statt und Leute lernen sich kennen, die sich sonst vielleicht nie begegnet wären.“

(Blätter der deutschen Gildenschaft, 49. Jg. 2007, Heft 2, S.42)

So schrieb ich 2007, noch voller Begeisterung der letzten gemeinsamen Bauhütten auf der Burg Ludwigstein und dem Erfolg des dortigen Raumpatenprojektes. Nie hätte ich gedacht, daß mir diese Äußerung einmal zum Verhängnis werden würde – nie, daß diese Äußerung einmal als Anprangerung gegen mich in einem Buch Verwendung finden würde – in einem Buch, gefördert vom einem Bundesprojekt mit dem Titel „Vielfalt tut gut. Jugend für Vielfalt, Toleranz und Demokratie“.

Natürlich darf man die 1920er Jahre nicht mit der Gegenwart gleichsetzen: Weder toben auf den Straßen blutige Kämpfe zwischen extremistischen Kräften, noch ist unser demokratischer Rechtsstaat in ernsthafter Gefahr, von extremistischen Gruppierungen eliminiert zu werden. Doch zeigt nicht gerade dies, zu welcher Größe jugendbewegte Gruppen und Persönlichkeiten zu ihrer Zeit fähig waren, welch gemeinsamer Idealismus über religiöse und weltanschauliche Grenzen hinweg die Bünde einte? Vielleicht wäre die Welt eine andere geworden, hätten sich in den 1920er Jahre mehr Menschen dem Beispiel einer jugendbewegten Toleranz verschrieben.

Denn darum geht es doch: Durch gegenseitiges Kennenlernen Vorurteile abbauen, Toleranz stärken und dadurch totalitärem Gedankengut, sei es weltanschaulich, religiöser oder politischer Natur, durch ein deutliches JA zur Vielfalt den Nährboden entziehen!

Als historische Quelle ist ein Dokument zur einstiegen Vielfalt auf unserer gemeinsamen Burg beigefügt. Es ist kein Einzelstück: Auf dem Ludwigstein liegen zahlreiche weiterer solcher Dokumente jugendbewegter Offenheit und gegenseitiger Toleranz. Viele dieser Dokumente stammen aus der Zeit, als Karl Laabs Vorsitzender der Vereinigung Jugendburg Ludwigstein war. Auch in seinem späteren Leben zeigte er Größe: Durch seinen couragierten Einsatz für das Menschenleben jüdischer Mitbürger während des 2. Weltkrieges wurde ihm der Ehrentitel „Gerechter unter den Völkern“ verliehen. In der Gedenkstätte Yad Vashem ist ihm zu Ehren ein Johannisbrotbaum gepflanzt worden.

Vielfalt tut gut!

ludwigstein-aufruf-1927


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