von bjo:rn
In Hamburg stand ich einst am Kai
und wußte nicht wohin,
das blaue Meer, das ferne Land,
dahin stand mir mein Sinn …*
Der jugendbewegte Mensch ist geneigt, in regelmäßigen Abständen die Weite zu suchen. Keineswegs gleichzusetzen mit „das Weite suchen“, schließlich will man sich auf Fahrt nicht verlieren oder gar vor Alltagssorgen fliehen, sondern an den Erfahrungen und Herausforderungen des Tages wachsen und gestärkt und erfahrungstrunken heimkehren. Mich lockte diesmal das blaue Mittelmeer und konträr zu den pauschal anreisenden Touristen ließ ich die Côte d’Azur und Costa Brava links an mir vorbeirauschen. Mein Ziel war das nördliche Afrika und in Trampgeschwindigkeit ging es ihm südwärts zu, gerade schnell genug, um sich vom nördlichen Nieselwetter und vom Alltagstrott zu entwöhnen. Spätestens die ersten Wogen des Mittelmeers spülten die letzten Zweifel von Bord – ich war wieder auf Fahrt, ein mir noch fremder Kontinent lag bugwärts.
In Marokko ging es an Land und baldigst ins Innere. Schließlich galt es die Vielfalt der maghrebinischen Leut- und Landschaft zu entdecken. Mein Alleinsein wurde dabei vielerorts unterbrochen – durch Mitreisende und Einheimische. An die überschwengliche Hilfsbereitschaft mußte ich mich erst gewöhnen, zumal die feilgebotene Hilfe meist mit dem Wunsch nach Dirhams einherging. So entwickelte ich über die Tage eine gewisse Skepsis und Zurückhaltung, was meine Entdeckungsfreude aber nur marginal hemmte. Bei einer Wanderung durch das Rifgebirge kehrte sie dann doch ein, die absolute Einsamkeit. Das mag sicherlich auch am unwirtlichen Wetter und an meinen abwegigen Wegen gelegen haben. Nur ein wilder Hund hüpfte mir auf den Felsen schüchtern nach, wohl in der Hoffnung auf eine Gabe aus Wurst. Damit konnte ich nicht dienen, und ich wußte, mein Bares und Bonbons würde er verschmähen. So trollte er sich nach einer Weile zurück in den Regen.
Nach einigen Stunden erreichte ich einige Hütten in einem einsamen Tal. Die Aufregung der Dorfgemeinschaft war entsprechend hoch, und auch die Dorfhunde waren weniger zurückhaltend als ihr „wilder“ Geselle aus den Bergen. Mit den zahlreichen Kindern teilte ich meine letzte Schokolade, und ein alter Mann folgte mir fortan des Weges.
Einige Tage später erholte ich mich südlich des Atlasgebirges vom Gewühle der großen Königsstädte. Eingeladen in eine spärlich eingerichtete Lehmhütte sorgten meine Erzählungen vom Djemaa el Fna für ein vergnügtes Lächeln. Der Berber Whisky dampfte, und gemeinsam aßen wir den Eintopf rechtshändig aus der großen Schüssel. Draußen quakten die Frösche ihre Gute-Nacht-Melodie dazu – ein Geräusch, das nun gar nicht zur kargen Umgebung der nahen Sahara passen wollte. Davon unbekümmert schliefen wir ein …
Über Umwege erreichte ich Algerien, und hier mußte ich schnell lernen, daß Hilfsbereitschaft im nördlichen Afrika nicht grundsätzlich als Dienstleistung mißverstanden wird. Mein schüchterner Blick in eine ehemalige Kirche brachte mir eine Französischstunde unter heimischen Mädchen, ein Brot, einen Talisman, eine Stadtführung und viele gute Wünsche ein. Entsprechend beglückt ritt ich auf einer Freundlichkeitswelle durchs Land. Es fällt mir schwer, hierbei die herausragendsten Erlebnisse hervorzuheben. Auf der einen Seite die flüchtigen Begegnungen – wie der Obstmann, der doch partout keine Münzen für seine Möhren annehmen wollte, oder die alte Frau, die mir vor der Moschee stumm und lächelnd drei Bonbons zusteckte. Aber auch jene Begleiter, die mir Stunden und Tage ihrer Freizeit gönnten, um sich lediglich an meiner Freude zu erfreuen, lassen mich Land und Leute in bester Erinnerung behalten. Wieder einmal hat sich mir gezeigt, daß sich fern der touristischen Zentren eine natürliche Herzlichkeit bewahrt hat. Bleibt zu hoffen, daß diese „Inseln“ (الجزائر / al-jazā’ir) nicht einst doch in den rauhen Wogen der globalisierten Zeit untergehen werden. Deshalb möchte ich eine eher flüsternde Reiseempfehlung aussprechen. Entdeckt algerische Lande auf leisen Sohlen, bevor euch die Handtuchreservierer zuvorkommen.
Auf tunesischem Boden mußte ich das quirlige Tunis nach Süden verlassen, um die „Oasen“ der Natürlichkeit zu finden. Im Wüstensturm der Sahara fühlte ich mich winziger als die an mir vorbeipeitschenden Sandkörner. Erst die schroffe Natur weist dem Menschen seine Position zu, nämlich Teil und keinesfalls Kopf eines Ganzen zu sein. Und so haben sich auch hier Ruinen und Riten erhalten, die eine bezaubernde Brücke in eine Vergangenheit schlagen, die weiter zurückreicht als tausendundeine Nacht. Soviel Zeit war mir leider nicht gegönnt, und so hieß es nach Wochen unter afrikanischer Sonne „Ma’as-salama!“ zu sagen. Ich komme wieder, allein oder zu zweien, Inschallah! إن شاء الله
Jahraus, jahrein in Afrika in wilder Freiheit Glück,
bei Nacht das Kreuz des Südens strahlt, am Tag die Sonn mich grüßt.
Da packt das Heimweh mich mit Macht und läßt mir keine Ruh´,
durch Steppe, Urwald, Wüstensand tramp ich der Heimat zu.*
*aus Der Tramp, Rudi Rogoll
Fahrtenberichte: Wer seine eigenen kleinen und großen Fahrtenerlebnisse veröffentlichen möchte, schicke sie zusammen mit einigen Bildern an buendische-vielfalt(ät)gmx.de