„Kleine Begegnungen mit großen Leuten“ – Ein Hörbuch

horbuch„Für ihn [den Wandervogel] gab es als Werteschema in Bezug auf den Menschen nur den Menschen.“ (Gerd Ziemer: Zum politischen Standort der Jugendbewegung)

Der Mensch und sein Verhalten als einziges Kriterium für seine Bewertung durch einen anderen war zur Zeit der Entstehung des Wandervogels noch etwas Revolutionäres. Auch wenn dieser Anspruch in der Theorie heute sicher von vielen gehegt wird, sprechen die Erfahrungen aus der Praxis eine andere Sprache. Zumindest wir Jugendbewegten sollten zu diesem Ideal stehen. Doch was ist notwendig, um einen Menschen nur in bezug auf seine menschlichen Qualitäten zu bewerten? Völlig unabhängig davon, was jeder als menschliche Qualitäten definiert, ist die Grundvoraussetzung hierfür die Begegnung an sich, das Zusammentreffen zwischen Personen, möglichst unvoreingenommen und frei von vorgefertigten Urteilen. Wirklich klar kann eine Einschätzung einer Person natürlich nur nach langem Zusammenleben getroffen werden, vielleicht nach vielen Jahren einer Ehe kennen die Personen sich wirklich. Die erste Begegnung allerdings verrät schon sehr viel über die Art des Gegenübers, besonders dann, wenn man ein so aufmerksamer Beobachter wie der jugendbewegte Schriftsteller Manfred Hausmann ist. Da für Hausmann Begegnungen nicht identisch mit Treffen sind, bleiben seine Begegnungen besonders eindrücklich. „Nur Menschen, die verschieden geartet sind und aus verschiedenen Bereichen kommen und sich trotz dieser, oder gerade wegen dieser Verschiedenheit treffen, können sich begegnen“, schreibt er. Einige seiner wichtigsten Begegnungen, die ihn nicht nur beeindruckt, sondern auch geprägt haben, behandelt das Buch „Kleine Begegnungen mit großen Leuten“. Vor einiger Zeit ist diese Schrift auch als Hörbuch erschienen und begeistert nicht nur Freunde vorgelesener Literatur.

Wenn der Sprecher des Hörbuches in die Gedanken von Hausmann zu Persönlichkeiten wie S. (Samuel) Fischer, Knut Hamsun, Thomas Mann oder Joachim Ringelnatz eintaucht, entsteht jedesmal das fesselnde Gefühl, die Person selbst kennenzulernen. Die Gestalt wächst wie auf der Palette eines Malers, Strich um Strich, Tupfer um Tupfer, bis der Hörer meint, mindestens ebenso gut mit diesen fantastischen Personen bekannt zu sein wie Hausmann selber. Gerade die große Bandbreite an Personen aller Fachrichtungen, die Hausmann trifft, macht das Hören extrem kurzweilig. Die Verschiedenheit macht in der Tat die Begegnungen aus. So beschreibt der Literat Hausmann unter anderem auch ein Zusammentreffen mit dem Physiker Otto Hahn. Wie angenehm es anmutet, daß Hausmann nicht als Moralist Hahns Mitwirkung bei der Entwicklung der Atombombe zu bewerten sucht, sondern vielmehr dessen tragische Rolle begreift und Hahn unvoreingenommen begegnet! Um so schöner erscheint dann die Normalität ihrer Dialoge, fast stereotyp die verschrobene Professorenart des Physikers.

Die Neutralität, mit der Hausmann ehrfurchtsvoll und doch ohne Scheu an diese berühmten Personen herantritt, sollte gerade uns Jugendbewegten als Ideal dienen: mit Demut, aber voller Bewußtsein der eigenen Persönlichkeit, klar im Betrachten und unvoreingenommen in der Bewertung. Bei Hausmann zählt der Mensch, nicht Meinung oder Herkunft. Möge das ein Vorbild sowie Einladung zum Hören dieses Werkes sein.


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Manfred Hausmann

Kleine Begegnungen mit großen Leuten

Erinnerungen an Thomas Mann, Peter Suhrkamp, S. Fischer, Max Reinhardt, Joachim Ringelnatz, Otto Hahn, Knut Hamsun, Prinz Louis Ferdinand von Preußen, Karl Barth, …


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