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  • 2013
  • ワンダー・フォーゲル | Im Tempel hölzerner Säulen | Schwankend durchfuhr ich das Meer, | Sah Wolken stranden | Am Rande weißer Ferne.

ワンダー・フォーゲル | Im Tempel hölzerner Säulen | Schwankend durchfuhr ich das Meer, | Sah Wolken stranden | Am Rande weißer Ferne.

von Jule

Eigentlich wollten wir nur eine gemeinsame Woche in einer einsamen Hütte in den Bergen verbringen, endlich mal nicht so viel planen, viel lesen, singen, entspannen. Doch als wir nun auf dem Sofa sitzen, wird schnell mehr daraus. Die einen wollten eh dieses Jahr mal ganz weit weg, dann wäre es ja auch mal ganz spannend, gemeinsam in die Ferne auf Großfahrt zu gehen.

„Wer weiß, was die nächsten Jahre bringen werden, man muß die Gelegenheiten ergreifen“, mischt sich das Fernweh in die Gespräche ein, und so ist das Fahrtenziel bald ausgewählt. Es soll der „ferne Osten“, es soll Japan sein, ein fremdes Land, das auf der anderen Seite der Erde liegt. Die Zeit bis zum Abflug nach Tokio über Dubai vergeht schneller als gedacht, und schon stehen wir in Kyoto am Bahnhof und werden gleich unsere Fahrtenkameraden treffen, die schon zwei Wochen im Land der aufgehenden Sonne und der tausend Herbste verbracht haben.

Zur Einstimmung wollen wir ein wenig Zeit in der Kulturhauptstadt verbringen und werden in einem traditionellen Ryokan schlafen. Als wir zum ersten Mal das Hotel betreten, lädt im Hauptraum ein niedriger Tisch mit Stühlen ohne Beinen zu einem Tee ein, eine kleine Süßigkeit gibt es auch dazu. Wir hören begierig von den Erlebnissen der anderen und beschließen, schon einmal die nähere Umgebung zu erkunden. An dem Abend erobern wir eine der ganz typischen Nudelbars. Netterweise hat die Dame am Tresen gleich eine Karte mit Bildern der Gerichte für uns. Normalerweise würde man sein Gericht an einem Automaten aussuchen, bezahlen und nur noch den Bon abgeben. Allerdings ist man an einem solchen Automaten ohne Kenntnisse der Schriftzeichen verloren.

Anderntags erkunden wir in der Stadt unter anderem das alte Geishaviertel und bewundern den jährlich aufgeführten Frühlingstanz der Geishas. Natürlich kniend, wie man selbst im Theater sitzt. Wir erkunden zudem einige Tempel, ein altes Töpferhaus und selbstverständlich auch die abendlichen Reize dieser Stadt. Besonders spannend ist, daß die jungen Japanerinnen für ihren Kyotobesuch ihren Kimono aus dem Schrank holen und anziehen. Wohl jede Japanerin hat einen solchen. Allerdings haben wir eher selten Männer in traditioneller Kleidung gesehen.

Voll von den Eindrücken der Stadt und den ersten Begegnungen mit dem Zen-Buddhismus in Stille ausstrahlenden und klaren Zengärten oder mittels eines komusu-Mönches, der mit einem Korb auf dem Kopf Flöte spielt, geht es erst einmal zu den tausenden Torii etwas weiter im Süden. Gegen Abend sind wir am Fuße des Berges des Fushimi Inari-Taisha an dem ersten Schrein angekommen. Wir steigen den Berg durch die Toriigänge empor und werden, oben angekommen, nun vollkommen von der Dunkelheit umfangen, die allein durch den roten Schein der beleuchteten Torii durchbrochen wird. Außer uns sind keine Besucher mehr da, der Wind läßt den Bambus aus dem nahestehenden Wald zusammenschlagen, und noch etwas weiter oben steht ein kleiner Tempel mit einem überdachten Rastplatz, auf dem wir unser Lager für die Nacht finden werden. Es soll nicht die einzige Nacht bleiben, die wir in der Nähe eines buddistischen oder shintoistischen Tempels bzw. Schreins verbringen. Im Gegensatz zu später werden wir nicht in der Nacht durch dröhnende Lautsprecherdurchsagen einer buddistischen Sekte gestört oder durch den dumpfen Klang shintoistischer Trommeln im Morgengrauen geweckt, sondern durch das gleichmäßige Geräusch eines Besens, den ein Mönch über die steinerne Fläche rund um den Schrein mit großer Genauigkeit zieht. Er zieht es vor, uns zu ignorieren, und wir beschließen, lieber doch ein wenig früher als geplant aufzustehen und ihn die morgendliche Stille genießen zu lassen.

Wir treiben weiter durch Japan, verlassen die Hauptinsel Honshu und erkunden das Innere der Insel Shikoku. Hier lernen wir ein französisches Pärchen kennen, das schon einige Monate in Japan unterwegs ist und über den Süden Japans weiter nach China reisen möchte. Wir verabschieden uns insgesamt dreimal voneinander, bevor sich letztendlich unsere Wege trennen, und verbringen zwei sehr schöne Abende miteinander bei seltsam eingelegtem schwarzen Rettich, Süßkartoffeln und den typischen japanischen Instantnudeln. Einen Abend sitzen wir gemeinsam am Feuer auf einem noch verlassenen Zeltplatz in malerischer Kulisse an einem wilden Fluß mit vielen Felsen und recht steil aufragenden, von dichtem Wald bewachsenen Hängen. Es ist einer dieser Abende, die das Erlebnis der Fahrt ausmachen, es ist kühl, der Blick geht weit, ein Feuer brennt, und man fühlt sich unglaublich frei.

 

Uns treibt der Weg weiter auf einen Berg zu einem alten Samuraihaus. Wir trennen uns, um näher an den Berg zu trampen, und sind schon halb den Berg hoch gelaufen, als sich an uns vorbei ein Auto die recht schmale Straße entlangschlängelt. Vom Rücksitz grinsen uns zwei gut bekannte Gesichter an, die noch rasch winken, bevor das Auto vorbeifährt. Die beiden sind also deutlich erfolgreicher gewesen und werden uns dann oben erwarten. Jede Kurve weiter hoffen wir, bald etwas von dem Clanhaus sehen zu können, doch es dauert. Bald erreichen wir noch einige Grabsteine, die am Hang neben der Straße sich für unser Auge wild verteilen und sich anders als ein Friedhof natürlich in die Landschaft einfügen. ,Wir sind also bald da’, geht es mir durch den Kopf. Zwischen den Grabsteinen steht eine kleine Statue, die vielleicht einen kleinen Buddha darstellen könnte. Alles ist sehr friedlich und erinnert mich von der Stimmung her ein wenig an den Zen-Garten, den wir in Kyoto gesehen haben. Die uns umgebende Ruhe ist wundervoll, der Blick zu den anderen Bergen, die strahlende Sonne zwischen den Bäumen und hier und da eine Spur von den damals so mächtigen Samurai. Noch ganz in Gedanken versunken kommen wir oben an und werden freudig begrüßt. Die beiden anderen haben mit ihren Fahrern schon fast alles erkundet und können uns so ein wenig herumführen. Sie zeigen uns zuerst eine große mit einem mächtigen Tau als heilig gekennzeichnete Eiche. Das Tau steht symbolisch für eine Schlange, welche von Gott als eine Art Sendbote genutzt wird und als Zeichen für heilige oder göttliche Dinge dient, wie uns ein shintoistischer Mönch erklärt hat. Gänzlich unbeeindruckt von unserer Neugier hackt ein alter Mann mit Strohhut Holz für seinen Ofen. Wir gehen ins Haus und lernen eine Nachfahrin des Heike-Clans kennen. Sie ist schon sehr alt, stets am Lächeln und wirkt wie aus einer anderen Zeit gefallen. Wir bewundern das Haus, welches nach außen wirklich nur durch dünne Papierwände geschützt ist, und das in einer Gegend, in der es auch empfindlich kalt werden kann. Wir werden später noch erleben, daß man in Japan etwas abgehärteter in der kalten Jahreszeit sein muß. Die ehrwürdige Dame wirkt schnell seltsam vertraut, so daß wir keine Scheu haben, nach heißem Wasser für Tee zu fragen, und sie auch zu unserer Grünteeschokolade einladen. Wir versuchen, uns ein wenig zu unterhalten, so gut es unser Kauderwelsch für Japanisch möglich macht. Zum Abschied singen wir noch ein kleines Lied zum Dank und erreichen das Herz der Dame so stark, daß sie uns mehrfach bittet, einen Teil unseres Eintrittsgeldes wieder zurückzunehmen. Beeindruckt und beschwingt machen wir uns nun wieder zusammen auf den Rückweg. Es wird schon langsam dunkel und damit recht kalt; haben wir in der Nacht doch nur wenige Plusgrade.

 

Von hier aus geht es zurück nach Honshu zum Fujisan, um den wir entlang der fünf Seen herumwandern, und von dem wir noch allein weiter in den Norden in den Schnee und zu heißen Schwefelquellen und wieder zurück ins Mittelmeerklima des Südens ziehen. Wir haben einige der zahllosen Kegelberge bestiegen, von denen man den Fuji besonders gut sehen kann, nachts Bekanntschaft mit Affen gemacht, die auf Raubzügen nach Essensresten unterwegs waren und hofften, auch bei uns fündig zu werden, und haben Schlangen am Wegesrand bewundern können. Die anderen mußten in den ersten Wochen sogar samt Zelt vor einem ausgewachsenen Kragenbären flüchten. Wir sind durch den Hochhäuserwald von Tokio gelaufen und haben den urwaldartigen geheimnisvollen Wald auf der Lava vom Fuji durchstreift. Wir wurden vom modernen Japan fast erschlagen und haben doch stets das alte Japan in den Menschen sehen können, seien es die Kimonos, die auch zwischen den Wolkenkratzern getragen werden, die Art des Essens, die immer noch fast nur aus warmen Mahlzeiten mit Reis oder Nudeln besteht, oder die Art, sich zu begrüßen und aufeinander Rücksicht zu nehmen. Man mag kaum glauben, daß es Großstädte ohne erkennbaren Vandalismus oder Graffiti geben kann.

 

Vieles ließe sich noch berichten, und doch kann es nie vollständig sein. – Auch wenn Japan sehr anders als Europa ist, haben wir uns erstaunlich schnell zurechtfinden können und angepaßt. Dies scheinbar so leicht, daß wir zurück in Deutschland dort erworbene Angewohnheiten nicht sofort abgelegt haben und reichlich seltsam auffielen, wenn wir uns beim Bedanken stets höflich mehrfach vor dem Gegenüber verbeugten.

 

Gedichte am Anfang und Ende:

Nachdichtungen

japanischer Texte

von Werner Helwig

aus Wortblätter im Winde

H. Goverts Verlag

Hamburg 1945

 

Das Langzeilengedicht

 

Wie es geschah seit dem heiligen Tag der Götter

Und während all der bisher vergangenen

Wie Bambusknoten zahlreichen Generationen,

Da der Anblick des Frühlingsnebels

Auf dem Berge Himmelsecho die Gedanken verwirrte, -

Oder erwachend in einsamer Nacht

Beim Donnern des Himmels, während durch die langen

Strähnen des Mairegens der Bergkuckuck rief,-

Oder beim Treiben des Sprühregens

Im götterlosen Oktober,

Wenn die in brokatene Blätter gekleideten Hügel

Die Herzen zur Sehnsucht aufrufen,-

Oder in Gefühlen hinschmelzend wie

Der Schnee des ersten Winterabends,

Wenn er den Garten mit zögerndem Weiß besprenkelt,-

So, Jahr für Jahr von neuem,

Lassen unsere Dichter sich aus

Mit Seufzen und Singen

Und ihr Gefühl entbrennt

Wie der Gipfel des Fujijama in Sonnenuntergang.

Und sie empfinden und sagen aus

Die tiefsten Nachdenklichkeiten aller Leute der Welt

Und vergessen auch nicht

Der Abschiedstränen, die je und je geweint wurden,

Weil man sich noch nicht satt genug aneinander sah,

Oder der leichten Unfrohheit, die einen befällt,

Wenn man zum erstenmal genötigt ist,

Trauergewänder aus Fujibast zu weben.

Ich aber muß

Auf Befehl meines Herrn und Kaisers

Wortblatt für Wortblatt, achttausend Kräuter der Dichtung,

Zu gewisser Ordnung in festen Kränzen aneinanderreihen.

Jedoch, mein Verstand, kurz wie der Lebensfaden,

Vermochte nicht, die große Idee zur Vollendung zu bringen,

Und mir ist zumute,

Als hätt´ ich all jene Salzflutmuscheln

Der Bucht des Meeres von Ise

Zusammengelesen und zu Hügeln gehäuft.

Und  indem ich mich gezwungen sehe,

Noch ein sich herumwälzendes Jahr

Vorbeigehen zu lassen,

Um im kaiserlichen Palaste

Ohne Rücksicht auf sonnige Tage oder verlockende Nächte

An meiner Arbeit zu schleifen,

Wird wohl in meiner fernen Heimat

Der Frühlingsregen in mein Häuschen

Allmählich durchsickern,

Und aus den Rissen der Balken das Sehnsuchtgras wachsen,

Da ich nicht acht darauf haben kann.

サクラ

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