Akademisches Wochenende der Deutschen Gildenschaft anno 2012

von Marius

Freitagnachmittag, ich stehe in Schwaig bei Nürnberg an der Straße und warte auf das Auto mit den Gildenschaftern aus München.

Als wir endlich gen Norden fahren, stellen wir uns einander ein wenig näher vor und sind schon bald völlig in Gespräche vertieft, obwohl wir uns doch erst seit wenigen Minuten kennen. Trotz deutlich längerer Fahrt als geplant vergeht die Zeit wie im Fluge. Für heute abend war eine Überraschung angekündigt worden, und nach einer kurzen Begrüßung geht es dann auch schon los mit dem…Tanzen! Und zwar mit dem Knotentanz, einer vereinfachten Form des Disco Fox, und zwei sehr motivierten Profi-Lehrern.

Geschätzte drei Stunden später haben sich alle Tanzwütigen ausgetobt, und es geht zum ruhigeren Teil über. In einer gemütlichen Runde, immer wieder mit einigen Liedern untermalt, nimmt der Abend seinen Lauf.

Ein reichhaltiges Frühstücksbuffet erwartet uns am nächsten Morgen, und nach dieser Stärkung beginnen wir auch sogleich mit den Arbeitsgemeinschaften, für die wir uns schon vor dem Wochenende angemeldet hatten.

Insgesamt stehen drei praxisnahe und drei wissenschaftliche AGs zur Auswahl: Theaterprojekt; Schreib- und Rhetorikwerkstatt; Facebook, Google & Co. – die Internetgiganten im Fokus sowie als wissenschaftliche AGs: medizinischer Fortschritt – Wunsch und Wirklichkeit; die Energieversorgung der Zukunft; europäische Großraumwirtschaft – historische und aktuelle Konzeptionen im Kontext der europäischen Wirtschaftskrise. Jeder Teilnehmer des Wochenendes hat sich für je eine AG entschieden.

Meine Wahl ist auf die Schreib- und Rhetorikwerkstatt gefallen. Angefangen wird mit einigen generellen Tips und Tricks, welche die Aussprache und  Betonung beim Reden verbessern helfen. Geübt wird dies sogleich am Beispiel der „Ballade in U-Dur“ von Detlev von Liliencron.

Nach diesen Übungen zur Vortragsgestaltung gehen wir über zum kreativen Schreiben. Das hört sich ersteinmal einfacher an, als es ist, doch mit dem Auftrag, seinen Namen senkrecht auf ein Blatt zu schreiben und somit den jeweils ersten Buchstaben eines Verses vorgegeben zu haben (das Ganze nennt man „Akrostichon“), funktioniert die Sache ganz gut.

Zuletzt lassen wir uns von dem einfachen Satz „Augenblicke verändern uns mehr als die Zeit“ inspirieren und schreiben drauf los. Besonders interessant ist dabei zu sehen, daß jeder seine Ideen dazu in eine andere literarische Gattung setzt und andere Nuancen betont, obwohl wir doch alle über den gleichen einfachen Satz schreiben.

Schon beim Mittagessen stellt sich ein reger Austausch zwischen den Teilnehmern der verschiedenen Kurse ein, der noch das ganze Wochenende über anhalten soll.

Der Nachmittag beginnt mit dem wissenschaftlich orientierten Kurs, bei mir mit der Arbeitsgemeinschaft zum Thema „Medizinischer Fortschritt – Wunsch und Wirklichkeit“.

Schon nach der Einführung stehen drei Dinge ganz klar fest:

1. Über alles können wir in den angepeilten drei Stunden (welche dann zu über dreieinhalb werden) nicht sprechen, weil einfach die Zeit zu kurz ist, um den Wissensdurst der Teilnehmer zu jedem Thema zu befriedigen.

2. Interessanter kann man eine Medizin-AG für Laien wohl kaum gestalten.

3. Zu einem Problem gibt es meistens mehrere Sichtweisen, und nur weil eine allgemein anerkannt ist, ist sie noch lange nicht richtig.

Schnell wird daraus eine große Diskussionsrunde, welche souverän geleitet und immer wieder mit Fakten und wissenschaftlichen Befunden bereichert und neu angeheizt wird. So schließt sich einem Thema direkt das nächste an, und wir kommen von verschiedenen Krebsarten auf die Art und Weise, wie medizinische Forschungsergebnisse präsentiert werden, bis zu der kritischen Auseinandersetzung mit allgemeingültig scheinenden Verhaltensregeln in bezug auf die eigene Gesundheit zu sprechen.

Die ganze AG will gar kein Ende nehmen, da das Interesse so groß und die Ansichten der Teilnehmer so unterschiedlich sind, daß nur der folgende Programmpunkt die Debatte letztlich abschließen kann.

Der Schnee der Vornacht ist bei der anschließenden Wanderung noch nicht gänzlich weggeschmolzen, und der Himmel tut sich auf, was die Wanderung zu einer herrlichen Angelegenheit macht. So kommen wir in den letzten Sonnenstunden des Tages auf der Anhöhe an und genießen die Aussicht über das Eichsfeld, die Wolkenformationen und die wenigen warmen Strahlen des Tages.

Doch während ich noch im Inneren an die Verse des Liedes „Zwischen hohen Halmen liegend“ denken muß, fliegt hinter mir schon der erste Schneeball. Zwei Minuten später ist die Schlacht in vollem Gange. Wohl dem, der Handschuhe dabei hat, denn die Gefechte werden ohne Gnade und mit voller Intensität geführt, wobei sich natürlich eine hohe Wurffrequenz auszahlt.

Nach Rückkehr und Abendessen versammeln wir uns im Hof,  um gemeinsam im Fackelschein eine kleine besinnliche Runde zu laufen. Die Nacht ist ähnlich kalt wie die vorherige, und wir ziehen schweigend, nur unterbrochen durch kurze Vorträge von Texten wichtiger Persönlichkeiten der Jugendbewegung, bis vor den Ort hinaus, wo wir einem abschließenden Stück lauschen.

Nun kann der Abend beginnen, und so starten wir mit einer offenen Runde, in der jede AG-Gruppe ihren Verlauf und ihre Ergebnisse nochmals schildert. Wieder kommen wir an der Medizin-AG nicht vorbei, und es wird noch lange im großen Kreis über strittige Themen diskutiert, bevor wir die Klampfen stimmen und zu den ersten Liedern ansetzen.

Besonders erwähnenswert ist noch „Der Bündischen Mitternachtsschrei“, vorgetragen von  den Münchnern, der offiziell den neuen Tag einläutet. So vergehen die Stunden mit Gesprächen, mit Liedern und mit andächtigem Lauschen in die Runde. Es ist weit nach drei Uhr morgens, als wir uns endlich in unsere Schlafsäcke verkriechen.

Am nächsten Tag kommt uns die Zeitumstellung zugute, und so können wir doch zumindest mit 5 bis 6 Stunden Schlaf in den Knochen nach einem erneut hervorragenden Frühstück den Weg zum „Grenzmuseum Schifflersgrund“ antreten.

Erwartet werden wir schon von dem älteren Herrn, der uns an diesem herrlich sonnigen Sonntag die Führung geben soll. Authentisch, berührend und lebendig führt er uns durch die Gedenkstätte mit Museum. Dies liegt wohl auch daran, daß er diese Zeit nicht nur selbst miterlebt, sondern auch in unmittelbarer Nähe zur Grenze auf DDR-Seite gewohnt hat und somit natürlich über einen persönlichen Bezug verfügt. Durch verschiedene Fluchtgeschichten und teils auch tragische Schicksale kann man sich vorstellen, welche Belastung die deutsch-deutsche Grenze und das mit ihr verbundene Unrecht für die Menschen dargestellt hat ̶ eine gelungene Abschlußaktion des Akademischen Wochenendes der Deutschen Gildenschaft.

Nach dem Essen heißt es voneinander Abschied nehmen. Der Organisator, dem an dieser Stelle ein besonderer Dank für die unglaublich gute Planung und das vielseitige Angebot des Wochenendes gilt, spricht noch ein paar letzte Worte, und es erklingt unter der Eiche, unter der wir stehen, zum Abschied das schöne Lied „Die Gedanken sind frei“.

Ich für meinen Teil konnte viele neue Schlüsse aus diesem Treffen ziehen, und ich denke, der Grundstein für neue, feste Freundschaften ist gelegt. Somit bleibt mir nur, für die Einladung zu danken und mich auf das nächste Akademische Wochenende zu freuen.

Hier noch weitere Stimmen vom diesjährigen Akademischen Wochenende:

„Das Akademische Wochenende als meine erste wirkliche Berührung mit der Gilde empfand ich als äußerst gelungenes Treffen. Auch wenn das Tanzen, was ja der Auftakt war, nicht zu meinen Stärken und Lieblingsbeschäftigungen gehört, hat man schon da den freundlichen und weltoffenen Charakter dieser Veranstaltung gespürt.

Besonders die Medizin-AG hat mich fasziniert, zum einen wegen der medizinischen Fakten, zum zweiten, weil man über ein so breitgefächertes Spektrum diskutiert hat, und zuletzt, weil man gesehen hat, daß auch, wenn Menschen mit so verschiedenen Meinungsbildern miteinander heftig debattieren, etwas Anständiges herauskommt, wovon jeder profitiert.

Der besinnliche Teil, die Hinführung zum Abend im Gewölbekeller, verdeutlichte mir den bündischen Anspruch der Gilde und erinnerte mich ein wenig an Versprechensfeiern unserer Pfadfinderschaft. Es waren für mich einfach zu viele Impressionen, um mich kurz zu fassen. Und doch erlaube ich mir noch ein Fazit: Ich habe die Gildenschaft ein bißchen kennengelernt, ich habe die Mitglieder der Gildenschaft ein bißchen kennengelernt, und ich habe mich rundum wohlgefühlt. Interessante Menschen in einem interessanten Kontext – ich komme wieder…“

„Mir hat das Wochenende insgesamt sehr gut gefallen, besonders die Idee mit dem kleinen Tanzkurs am Freitag fand ich sehr gut. Auch die AGs waren sehr interessant. Und der Museumsbesuch am Sonntag war auch sehr schön, vor allem weil man dann noch etwas zusammen unternommen hat und man nicht  gleich auseinanderlief, seine Sachen gepackt hat und nach Hause gefahren ist, wie es sonst oft der Fall ist…“

„Jedes einzelne Themengebiet der Arbeitsgemeinschaften zeigte mir, wie klein doch mein Horizont ist, daß sich aber in zwei Stunden ein Feld eröffnen kann, welches einen noch lange beschäftigt.  Und am Schluß standen wir in der Sonne in einem festen Kreis, von dem jeder seine Eindrücke und das neue Wissen in weitere Kreise trägt.“

„Mir hat das akademische Wochenende sehr gut gefallen. Die “Medizin-AG” hat mich in meinem Entschluß bestärkt, dieses Studium zu wagen, für mich also ein sehr persönlicher “Gewinn”. Das Programm war meiner Meinung nach ziemlich ausgewogen, angefangen vom Tanzen, gemütlicher Runde und guten Gesprächen bis zur geistigen Arbeit, hin zur Wanderung und abendlicher Vorstellung der erarbeiteten Gedanken und Eindrücke.“

„Es war großartig – und ich komme gern wieder….“

Terminankündigung: Das nächste Akademische Wochenende findet vom 18. bis 20. Oktober 2013 statt. Die Berichte der letzten Jahre findet man hier und hier.

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